Ecuador steht mit Stichwahl zum Präsidentenamt am 2. April vor einer wichtigen Richtungsentscheidung, die nicht nur für die Zukunft dieses südamerikanischen Landes von Bedeutung ist. Nach Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump gilt sie als erster Indikator dafür, ob die Gegenoffensive der rechten Kräfte auf dem Kontinent aufgehalten wird. Nach der triumphalen Wiederwahl Daniel Ortegas, der im November 2016 mit über 71 Prozent der Stimmen als Präsident Nicaraguas bestätigt wurde, stehen die Chancen für einen Erfolg des Kandidaten Lenín Moreno und seines Vize Jorge Glas von der linken Regierungspartei Alianza País in Ecuador nicht schlecht. Das könnte den progressiven Bewegungen in Lateinamerika wieder Auftrieb geben.
Das Meinungsforschungsinstitut „Diagnóstico“ bescheinigte Lenín Moreno Anfang März mit 50,4 Prozent der Stimmen über neun Punkte Vorsprung vor seinem Herausforderer Guillermo Lasso von der neoliberalen Partei CREO, für den danach nur 41,2 der Wähler votieren wollten. Eine Woche zuvor hatte eine Umfrage des Instituts CIS (Centro de Investigación Social) Moreno mit 59 Prozent Zustimmung sogar 18 Punkte vor Lasso gesehen. Die Meinungsforscher der Firma Cedatos, die mit dem Washingtoner Gallup-Institut verbunden sind veröffentlichten zeitgleich eine Untersuchung, die für Lasso 52 Prozent und Moreno lediglich 48 Prozent voraussagt. Auf ähnliche Cedatos-Umfragen hatten die Rechtsparteien ihren Vorwurf des „Wahlbetrugs“ gestützt, als sich am 19. Februar zeitweise die Möglichkeit eines direkten Sieges von Moreno abgezeichnet hatte. 3,7 der 12,8 Millionen Wahlberechtigten hatten für den Links-Kandidaten votiert, der damit über eine Million Stimmen (11 Prozent) mehr als sein Gegenspieler erhielt.
CREO-Anhänger hatten bereits während der Stimmenauszählung landesweit gewalttätige Aktionen organisiert und damit gedroht, die Hauptstadt Quito anzuzünden. Eine Niederlage am 2. April, das lassen zumindest die Vorgänge im ersten Wahlgang befürchten, wird die Rechte nicht akzeptieren.
Obwohl Lenín Moreno sich zuversichtlich gibt und in der zweiten Runde auf einen Vorsprung von mehr als zwei Millionen Stimmen hofft, ist der Wahlausgang völlig offen. Präsident Rafael Correa, der nach zweimaliger Wiederwahl nicht erneut kandidierte und am 24. Mai aus dem Amt scheidet, warnte mehrfach vor „schmutzigen Tricks“ der Opposition und den bereits auf Hochtouren laufenden Verleumdungskampagnen der sie unterstützenden privaten Medien. Correa appellierte an die Einheit der zum Teil zerstrittenen linken Kräfte und fordert, gemeinsam einen Sieg der Rechten zu verhindern. Auch die Kommunistische Partei Ecuadors (PCE) ruft „alle Bürger und Organisationen“ des Landes auf, sich unabhängig von allen Differenzen zu einem „demokratischen Pakt“ zusammenzuschließen. Es gehe um die Verteidigung von Errungenschaften der Bürgerrevolution wie dem kostenlosen Zugang aller zu Erziehung und Gesundheitsversorgung, dem Mindestlohn und der Chancengleichheit. „Wir wollen diesen Weg fortsetzen und nicht zu einem neoliberalen System zurückkehren, durch das wir auch unsere Souveränität verlieren würden“, erklärte PCE-Generalsekretär Paul Almeida in der letzten Ausgabe der Parteizeitung „Bandera Roja“ (Rote Fahne). Während die PCE – trotz ihrer Kritik etwa am zögerlichen Umgang der Correa-Regierung mit der Eigentumsfrage – Alianza País unterstützt, sprach die sozialdemokratisch orientierte „Demokratische Linke“ (ID) jedoch keine Empfehlung für Moreno aus, dessen Kontrahenten sie als „Vertreter des ultrarechten Flügels“ aber ebenfalls ablehnt.
CREO-Gründer Guillermo Lasso ist Ex-Präsident und Hauptaktionär der Banco Guayaquil, einer der größten Privatbanken des Landes. Der Bankier gehört dem erzkonservativen katholischen Geheimbund „Opus Dei“ an, der unter anderem die faschistischen Diktaturen von Franco in Spanien und Pinochet in Chile unterstützt hatte. Im Wahlkampf propagiert der Rechtspolitiker Steuersenkungen, stellt regionale Bündnisse wie ALBA in Frage und will das Asyl für Wikileaks-Gründer Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London beenden. Vor Lassos Ankündigung, nach einem Sieg 14 Steuern komplett abzuschaffen, warnt Noch-Präsident Correa mit dem Hinweis, dass dadurch ein Defizit von 3,7 Milliarden Dollar in der Haushaltskasse entstünde, was zum Ende der meisten Sozialprogramme führen würde.