Er war Zeitzeuge, überzeugter Antifaschist. Mit seiner Partei, der KPD sowie der 1968 neu konstituierten DKP, war er eng verbunden. Auch in schweren Zeiten. Und die gab es nicht nur in den Jahren nach dem KPD-Verbot. Otto war zudem ein gebildeter Marxist, der sein Wissen und die Erkenntnisse wie Erfahrungen seines Lebens an andere weitergab. Mit viel Geduld. Er scheute sich aber auch nicht – selbst gegenüber „Autoritäten“ –, Fehlerhaftes deutlich zu benennen.
Kennen und schätzen gelernt habe ich ihn Ende der 90er Jahre. Als Bildungsverantwortliche der DKP hatte ich viel mit der Karl-Liebknecht-Schule zu tun, deren Leiter Otto Marx eine ganze Reihe von Jahren war. Und natürlich wurde ich sofort in die Seminararbeit eingeplant.
Mit 16 Jahren, am 1. Januar 1946, wurde Otto Marx Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. Als in Deutschland Synagogen brannten, als die deutschen Faschisten Österreich und dann die Tschechoslowakei besetzten, als sie Polen überfielen und dann viele andere Länder, war er noch ein Kind. Vor Berufsschülerinnen und -schülern des Käthe-Kollwitz-Berufskollegs in Oberhausen erzählte er vor über sechs Jahren im Rahmen einer Themenwoche des „KKBK gegen Rechts“, über die damals die „WAZ“ berichtete: „Mein Lehrer war ein klarer SS-Mann.“ Aber das Umfeld, gemeint ist auch seine Familie, habe ihn mitgeprägt: „Ich wusste, was zuhause erzählt wird, darüber darf ich draußen nicht sprechen, das würde Ärger mit dem Regime geben.“ Er erzählte unter anderem auch von einem Lehrer, der den Hitlergruß verweigerte. Die Bedeutung dieser Tat verstand er erst später. Und er schilderte auf dieser Veranstaltung auch seine Verschickung auf einen Bauernhof. Die Zwangsarbeiter, die dort Fronarbeit leisten mussten, wurden seine Bezugspersonen. Sein Auftreten im Berufskolleg war kein Einzelfall. Bis vor einigen Jahren sprach er auf verschiedenen Veranstaltungen, vermittelte Wissen, berichtete über seine Erfahrungen.
Zu denen, die ihn, den Arbeiter und jungen Kommunisten, in der KPD-Organisation in Oberhausen prägten, gehörten antifaschistische Widerstandskämpfer wie Ernst Kircher, unter anderem Bildungsverantwortlicher in Ottos Parteigruppe. Kircher war bis 1933 Stadtverordneter der KPD in Oberhausen, wurde 1933 verhaftet und ins Emslandlager Börgermoor bei Papenburg verschleppt. Nach seiner Entlassung war er illegal tätig, wurde erneut verhaftet. Paul Schnittker (Essen), der Otto Marx in den 50er-Jahren kennenlernte, berichtete, dass sich – auf Initiative von Otto, von Genossinnen und Genossen wie anderen fortschrittlichen Menschen – in den 50er Jahren in Oberhausen junge Leute auf einem Kongress trafen, um sich für die völkerrechtliche Anerkennung der DDR einzusetzen. Nach dem KPD-Verbot sollte Otto festgenommen werden, entzog sich aber der Verhaftung. Er blieb aktiv. Mitte der 60er Jahre kehrte er in seine Heimatstadt Oberhausen zurück. In den Jahren der Illegalität konnte er sein marxistisches Wissen durch Studienaufenthalte in sozialistischen Ländern erweitern. Und auch später hat er, wie ich erlebt habe, sein Wissen ständig vertieft.
Nach der Neukonstituierung der DKP wurde Otto Kreisvorsitzender. Viele Jahre war er Mitglied des Bezirksvorstandes Ruhr-Westfalen. Er arbeitete in der VVN/BdA, in der Kulturvereinigung Leverkusen mit, vor allem aber legte er Wert auf die Bündnisarbeit in Oberhausen. Über das hohe Ansehen, das er unter den Bündnispartnern genoss, wird noch heute berichtet.
Als wir unsere Zusammenarbeit Ende der 90er Jahre begannen, „überfielen“ mich Otto Marx und Horst Wilhelms, die sich für unsere Bildungseinrichtung, die Karl-Liebknecht-Schule, mit großem Engagement einsetzten, mit einem Vorschlag: Wir machen ein Fernstudium, um den Mitgliedern Grundlagen des Marxismus zu vermitteln! Die Begründung war überzeugend, denn nach 1989/90 standen die alten Bildungseinrichtungen in der DDR und der Sowjetunion nicht mehr zur Verfügung. Neue Genossinnen und Genossen hatten kaum eine Chance, sich systematisch mit den Grundlagen des Marxismus zu beschäftigen. Und außerdem sollte man sein Wissen auf diesem Gebiet ständig erweitern und vertiefen.
Eine unglaubliche Arbeit wurde damals geleistet, auch von Otto. Immerhin beteiligten sich damals weit über 300 Mitglieder der DKP und andere Linke.
2009 wurde auf Initiative von Otto – und Horst Wilhelms – das Fernstudium zu Lenins Schrift „Der ‚linke Radikalismus’, die Kinderkrankheit im Kommunismus“ eröffnet. Für Otto ein Herzensbedürfnis. Nicht nur, weil damit an Erfahrungen der Arbeiterbewegung und an Auseinandersetzungen in der jungen kommunistischen Bewegung nach der Oktoberrevolution erinnert wurde, sondern weil Lenin in seiner Schrift Grundsätze zur Haltung von Kommunistinnen und Kommunisten zu Wahlen und bürgerlichen Parlamenten, zur Arbeit in Gewerkschaften, in Bündnissen formulierte, die heute noch ihre Gültigkeit haben.
Otto, Du fehlst: Dein Wissen, Deine geduldige Hartnäckigkeit, Deine Freundlichkeit.