Sie dient allein der Abdeckung von Auftragsspitzen oder anderer vorübergehender Personalengpässe. Diese abenteuerliche These wird von der Kapitalseite gerne ins Feld geführt, um den Einsatz von Leiharbeit in Betrieben zu begründen. Tatsächlich hat sich dieses arbeitsmarktpolitische Instrument als ein äußerst wirksames erwiesen, billigeren Ersatz für reguläre Arbeitsplätze zu schaffen, Niedriglöhne zu etablieren und Belegschaften zu spalten. Kein Wunder, dass Unternehmen immer mehr Arbeit über Leiharbeit und Fremdvergaben – trotz vielbeschworenen Fachkräftemangels – ausgliedern.
Eine bundesweite Befragung der IG Metall unter Betriebsräten in rund 3.600 Betrieben kam zu dem Ergebnis, dass rund 80 Prozent der Betriebe der Metall- und Elektroindustrie, der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie sowie der Textilindustrie Leiharbeit nutzen oder Aufträge über sogenannte Werkverträge an Fremdfirmen vergeben. Mehr als ein Viertel der befragten Betriebsräte gab an, dass „ihr Arbeitgeber“ dauerhaft Stammarbeitsplätze durch Leiharbeit und Fremdvergabe ersetzt. Betroffen von Ausgliederungen sind alle Bereiche, von der Entwicklung über die IT bis zur werksinternen Logistik und hinein in die Produktion. Ein Trend, der sich nach Einschätzung vieler betrieblicher Interessenvertreter in den nächsten Jahren verstärkt fortsetzen wird. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben sich die DGB-Gewerkschaften zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit den Beschäftigten Leiharbeit und Fremdvergaben einzudämmen oder zumindest dort die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dass dies – trotz erster erzielter Erfolge – noch ein langer und steiniger Weg sein wird, zeigt die aktuelle Tarifrunde in der Branche.
Der DGB-Tarifkommission ist es in den Verhandlungen mit den Leiharbeitsverbänden BAP und iGZ auf den ersten Blick gelungen, beträchtliche prozentuale Lohnsteigerungen auszuhandeln. So sind die Tarifentgelte der Beschäftigten in der Leiharbeit in den Entgeltgruppen 1, 2a und 2b im vergangenen Oktober um bis zu 14 Prozent gestiegen – und es folgen weitere Erhöhungen in zwei Stufen bis Januar 2024 mit bis zu 24 Prozent. Allerdings war der Anlass der Anhebung der seit Oktober 2022 neue gesetzliche Mindestlohn von 12 Euro. Die Entgeltgruppen 1 und 2 lagen bis dahin unterhalb der neuen gesetzlichen Lohnuntergrenze. In absoluten Zahlen steigen die Entgelte nun in der untersten Lohngruppe der EG 1 von 10,88 Euro auf 12,43 Euro zum 1. Oktober 2022. Danach erfolgen Erhöhungen auf 13,00 Euro ab April 2023 und auf 13,50 Euro zum 1. Januar 2024. In der EG 2a steigen die Entgelte in den gleichen Zeiträumen von 11,60 Euro auf 12,63 Euro, 13,20 Euro und schließlich auf 13,80 Euro und in der EG 2b von 12,20 Euro, auf 12,93 Euro, 13,50 Euro und 14,15 Euro zum 1. Januar 2024.
Außerdem ist es gelungen, Verbesserungen beim sogenannten Mitgliedervorteil für Gewerkschaftsmitglieder durchzusetzen. Ab November 2023 steigt die Extra-Zahlung zum Weihnachtsgeld um 150 Euro. Statt bisher 100 bis 350 Euro – je nach Betriebsangehörigkeit – gibt es dann 250 bis 500 Euro zusätzlich. Das ergibt mit der Extrazahlung zum Urlaubsgeld statt bisher bis zu 700 Euro dann bis zu 1.000 Euro Mitgliedervorteil im Jahr. Außerdem reichen ab November 2023 für den Mitgliedervorteil sechs statt wie bisher 12 Monate Gewerkschaftsmitgliedschaft aus.
Für die Entgeltgruppen 3 bis 9 steht ein Abschluss noch aus. Die Kapitalseite hatte bereits im Sommer den Vorschlag der Gewerkschaften abgelehnt, die Tarifverträge vorzeitig einvernehmlich zu kündigen und alle Entgeltgruppen im Block zu verhandeln. Die nun von der DGB-Tarifkommission für die oberen Entgeltgruppen geforderten Lohnerhöhungen entsprechen den bereits vereinbarten Erhöhungen für die Lohngruppen 1 bis 2b. Da die Leiharbeitsverbände bisher nicht bereit waren, hier auch nur über eine Inflationsprämie zu verhandeln, waren die Gespräche am 14. Dezember nach zwei Verhandlungsrunden abgebrochen worden.
Ob, wenn im Januar die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, Verbesserungen für die betroffenen Beschäftigten erzielt werden, ist derzeit noch unklar. Unabhängig davon bleibt Leiharbeit eine Form prekärer Beschäftigung und gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Dies wird jedoch nicht durch die einfache Aufkündigung des DGB-Tarifvertrags Leiharbeit, wie dies zeitweise von Teilen der politischen Linken gefordert wurde, erreicht werden. Es muss auf betrieblicher und politischer Ebene erkämpft werden.