Das Problem der Belegschaftsspaltung – Teil II

Leiharbeit und Fremdvergabe

Lars Schmaltzer

Bevor etwaige Gegenstrategien beurteilt werden, sollen in dem zweiten Teil unserer kleinen Serie Umfang und Gründe von Kapitalkooperationen in der heutigen Wirtschaft betrachtet werden. Dabei stehen Kooperationen relativ selbstständiger Unternehmen entlang von Wertschöpfungsketten im Fokus, nicht beispielsweise Absprachen zweier Konkurrenten über die Aufteilung von Märkten oder die Ausschaltung eines dritten Konkurrenten.

Laut einer umfassenden Studie von 2017 vergeben über 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland in der einen oder anderen Form Aufträge im Wege von Werkverträgen, immerhin die Hälfte lagert mindestens einen Kern- und Randprozess aus. Die Auslagerungsquote, das heißt das Verhältnis von selbstausgeführten zu „outgesourcten“ Aufgaben, liegt bei etwas mehr als 25 Prozent. Auch die Betriebsrätebefragungen der IGM 2018 und der IG BCE 2015 ergaben, dass 80 beziehungsweise 68 Prozent aller Unternehmen auf Leiharbeit oder Fremdvergaben setzen. Ein Teil der Aufträge wird auch von sogenannten „Solo-Selbstständigen“ ausgeführt. Zweifellos ebenfalls ein Problem, soll sich hier aus Platzgründen aber auf Kapitalkooperationen beschränkt werden.

Bei den Werkvertragsfirmen dominieren Kleinunternehmen, auch wenn es durchaus Firmen mit mehreren tausend oder zehntausend Beschäftigten gibt. Etwa die Hälfte der Firmen ist in einen Konzern eingebunden, was freilich die wirtschaftliche Abhängigkeit auch der anderen keineswegs ausschließt. Welchen Umfang Kapitalkooperationen absolut einnehmen, ist kaum bezifferbar. Zu einigen Formen wie dem Gemeinschaftsbetrieb oder unspezifischen Kooperationen gibt es überhaupt keine Zahlen. Hochrechnungen der 2017er-Studie sowie einer weiteren der Hans-Böckler-Stiftung von 2014 legen aber nahe, dass sich die Anzahl allein der Werkvertragsbeschäftigten im Millionenbereich und der Werkvertrags-/Dienstleistungsunternehmen im sechsstelligen Bereich bewegt. Für (legale) Leiharbeit sind hingegen genaue Daten vorhanden, nach denen diese Beschäftigungsform nach sprunghaftem Anstieg in den 2000ern inzwischen etwa um die Zahl von einer Million Leiharbeiter (3 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse) fluktuiert. Allerdings nutzen mehr als die Hälfte aller Unternehmen Leiharbeit, bei großen Firmen sind es sogar mehr als 80 Prozent. Ihre Spalt- und Druckausübungswirkung kann Leiharbeit im Zweifel auch mit einer relativ geringen absoluten Zahl an Leiharbeitern entfalten.

Kooperationsgründe

Ist auf horizontaler Ebene, also zwischen Herstellern eines Produktes, in den letzten Jahrzehnten eine Monopolisierungstendenz zu beobachten, scheint auf vertikaler, das heißt entlang des Herstellungsprozesses, eher ein Dezentralisierungsprozess abzulaufen. So wuchs der Dienstleistungssektor um die Industrieproduktion herum seit den 1980ern gewaltig. Dies betraf nicht nur Bereiche wie Kantine, Logistik und Reinigung, sondern auch Spezialtätigkeiten und Produktionsprozesse im engeren Sinne. Bei der Suche nach Gründen dieser Entwicklung muss zunächst festgehalten werden, dass alle – relativ selbstständig – agierenden Kapitale ein einheitliches Ziel verfolgen: die Maximierung von Profit. Sie wenden dabei im Wesentlichen zwei verschiedene Strategien an: Auf der einen Seite Senkung der Lohnkosten, auf der anderen Steigerung der Produktivität durch Spezialisierung und Optimierung von Arbeitsprozessen (Verringern von Transaktionskosten) sowie Anreizsetzung zu Innovation. Hier zeigt sich, was Marx damit meinte, wenn er im „Kapital“ ausführt, dass „kapitalistische Leitung dem Inhalt nach zwieschlächtig“ sei, da der zu leitende Produktionsprozess einerseits gesellschaftlicher Arbeitsprozess zur Herstellung eines Produkts, andererseits Verwertungsprozess des Kapitals ist. Dienen Auslagerungen (und Kooperationen) also stets der Maximierung des (Gesamt-)Profits, bedeutet dies nicht, dass sie allein der Lohndrückerei dienen – wäre dies so, würde das eine Gegenstrategie zweifellos um einiges erleichtern.

Teil I: Werk- und Dienstvertragsarbeiten kaum reguliert (UZ vom 18. Dezember 2020)

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"Leiharbeit und Fremdvergabe", UZ vom 24. Dezember 2020



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