Informationszentrum Zwangsarbeit in Hamburg

Leidenswege

Informationszentrum Zwangsarbeit 1943–1945/ Wilhelm-Raabe-Weg 23, 22335 Hamburg, Nähe S-Bahnhof Flughafen, Öffnungszeiten: Jeden 1. Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr

Kontakt: willi-bredel-gesellschaft@t-online.de / Web: www.bredelgesellschaft.de

Auf Initiative der Willi-Bredel-Gesellschaft – Geschichtswerkstatt e. V. konnten 1998 zwei Zwangsarbeiterbaracken der Firma Kowahl & Bruns in der Nähe des Flughafens vor dem drohenden Abriss gerettet werden. Der Verein hat diese weitgehend im Originalzustand erhaltenen und seit 2008 unter Denkmalschutz stehenden Gebäude für Ausstellungszwecke hergerichtet.

Der niederländische Zwangsarbeiter Theo Massuger erinnert sich: „Als die Deutschen merkten, dass ihre Werbezettel, mit denen sie Arbeitskräfte nach Deutschland locken wollten, nicht wirkten, dachten sie sich etwas anderes aus. Sie nahmen meiner Familie die Stammkarte weg. Ohne Karte gab es für meine Eltern und uns zehn Geschwister keine Lebensmittel. Also ging ich gezwungenermaßen nach Deutschland zum Arbeiten. Außer sonntags stand ich jeden Tag an einer Drehbank bei Röntgenmüller und das bei kargem Essen, meist bestehend aus einer Rübensuppe.“

Theo Massuger, der hier seine Erlebnisse in Fuhlsbüttel schildert, war einer von insgesamt ca. 500000 Arbeitskräften, die zu unterschiedlichen Zeiten während des Zweiten Weltkrieges aus den von Deutschland besetzten Ländern nach Hamburg zur Arbeit verpflichtet wurden. Die Zwangsarbeiter aus dem besetzten Polen und der Sowjetunion sowie italienische Militärinternierte hatten deutlich härtere Lebens- und Arbeitsbedingungen als die „Fremdarbeiter“ aus Westeuropa. Besonders schlecht wurden die KZ-Häftlinge behandelt, die unter schrecklichen Umständen leben und Zwangsarbeit leisten mussten. In Hamburg, einem Zentrum der Rüstungsindustrie, lebten bereits im Frühjahr 1942 ca. 31000 „Fremdarbeiter“ in 280 Lagern, 1944 etwa 70000 Zwangsarbeiter in ca. 1500 Lagern. Allein in Ohlsdorf und Fuhlsbüttel befanden sich 1943 elf Lager mit über 1200 Menschen.

Eines dieser Lager wurde 1943 von der Landschafts- und Gartenbaufirma Kowahl & Bruns als Wohnlager für Zwangsarbeiter errichtet. Inhaber der Firma waren zwei aktive Mitglieder der NSDAP: der Gartengestalter Fritz Kowahl und der Kaufmann Emil Bruns. Hauptgeschäftszweck war die Tarnung des Hamburger Flughafens und anderer Flughäfen in Deutschland, Polen und Frankreich. Um diese Arbeiten und andere Aufträge wie die Tarnung von Rüstungsbetrieben, die Produktion von Betonplatten zum Bau von Behelfsheimen und Trümmerräumungen durchführen zu können, stieg die Zahl der Arbeitskräfte bis 1944 auf ca. 2000.

Dieses Firmenlager von Kowahl & Bruns war auf die Unterbringung von 144 Arbeitern ausgelegt. Es bestand aus zwei Wohnbaracken, einer Sanitärbaracke und einer Verwaltungsbaracke, in der die Lagerleitung untergebracht war. Die Gebäude wurden in Segmentbauweise aus Bauteilen von Reichsarbeitsdienst-Baracken Typ IV errichtet. Jeweils 18 Zwangsarbeiter mussten in einem 12 Quadratmeter großen, nicht isolierten Raum wohnen und in Doppelstockbetten schlafen. Das Lager war überwiegend mit niederländischen Zwangsarbeitern belegt, die sechs Tage pro Woche bei Röntgenmüller (heute Teil des Philips-Konzerns) zwölf Stunden in der Rüstungsproduktion arbeiten mussten. Außerdem lebten dort italienische Militärinternierte und u. a. Zwangsarbeiter aus Frankreich und Belgien.

Ab 1944 beschäftigte die Firma zusätzlich polnische Jüdinnen aus dem KZ Sasel, die unter unmenschlichen Bedingungen Schwerstarbeit beim Plattenbau für Behelfsheime und bei der Trümmerräumung leisten mussten. In einem 1946 von der britischen Besatzungsmacht im Curio-Haus durchgeführten Prozess gegen die Wachmannschaften des KZ Sasel war Emil Bruns der einzige angeklagte Zivilist. Er wurde wegen der Misshandlung mehrerer Häftlinge auf seinen Baustellen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Wie anderen Kriegsgewinnlern war es auch Emil Bruns vom Gefängnis aus möglich, seine Geschäfte weiterzuführen, um den von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen erwirtschafteten Gewinn in den neuen Staat hinüber zu retten.

Informationszentrum Zwangsarbeit 1943 – 1945

Unsere Ausstellungen informieren über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der niederländischen Zwangsarbeiter in diesem Lager und dokumentieren den Leidensweg der polnischen Jüdin Matla Rozenberg, die als Häftling des KZ Sasel für die Firma Kowahl& Bruns Zwangsarbeit leisten musste. Eine weitere Ausstellung gibt einen Überblick über das Ausmaß der Zwangsarbeit in Hamburg.

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"Leidenswege", UZ vom 2. September 2016



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