Einen „Schreibhandwerksmeister“ nannten wir ihn einmal, als wir unseren Autor Professor Dr. Rüdiger Bernhardt den Lesern vorstellten. Das bleibt treffend, ungezählt sind jene, die bei ihm das Handwerk des Schreibens erlernten, ihre Kenntnisse erweiterten und ihren Stil verfeinerten.
Der gebürtige Dresdener studierte nach Abitur und zweijährigem freiwilligen Dienst in der Nationalen Volksarmee in Leipzig Germanistik, Kunstgeschichte, Nordistik und Theaterwissenschaft. In den Studienjahren bis 1964 prägte ihn besonders der berühmte Literaturwissenschaftler Hans Mayer, dessen Hilfsassistent er auch war, bis Mayer 1963 die DDR verließ. Fünfzig Jahre sind vergangen, seit Rüdiger Bernhardt zu Beginn des Studienjahres 1965/66 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gefragt wurde, ob er den Zirkel schreibender Arbeiter der Leuna-Werke leiten würde. Volkskunstschaffen und „Bitterfelder Weg“ waren ihm nicht neu, er hatte sich schon als Kabarettist und junger Lyriker betätigt, zuerst im Stillen, dann im zweijährigen freiwilligen Dienst in der Nationalen Volksarmee in dem erfolgreichen Kabarett „Das Bajonett“, aus dem bekannte Künstler hervorgingen.
Die Bewegung Schreibender Arbeiter wird heute von der herrschenden Propaganda voller Häme und Geringschätzung, ohne genaue Kenntnis und vor allem ohne nur ansatzweise begriffen zu haben, dass es beim Bitterfelder Weg zuerst um einen Bildungsvorgang ging, behandelt. Diese Bewegung war seit 1966 eines der Zentren von Bernhardts Schaffen, er leitete den Zirkel schreibender Arbeiter der VEB Leuna-Werke, seit 1986 die Bezirksarbeitsgemeinschaft Halle und wurde Vorsitzender der Zentralen Arbeitsgemeinschaft schreibender Arbeiter der DDR. Die Vielfalt des literarischen Lebens in den Zirkeln, die nicht vorrangig auf Veröffentlichungen zielten, sondern von der Gemeinsamkeit, dem Lernen, dem Begreifen und dem Genießen von Kunst und Literatur lebten, ist maßgeblich von ihm beeinflusst worden.
Eine Vielzahl von Veröffentlichungen begleitete diese Arbeit, die wohl bekannteste ist das erfolgreiche Handbuch „Vom Handwerk des Schreibens“. Daneben verfasste er in fast drei Jahrzehnten Hunderte von Fernseh- und Literaturrezensionen, die vorwiegend in der „Freiheit“ und der Liberal-Demokratischen Zeitung in Halle erschienen. Für seine Leistungen wurde er unter anderem mit dem Preis für künstlerisches Volksschaffen, der Johannes-R.-Becher-Medaille und dem Händel-Preis der Stadt Halle geehrt.
Wenn in den letzten Jahrzehnten viel Werbung für „Kreatives Schreiben“ gemacht wurde, kann daran erinnert werden, dass das alles nicht neu ist, sondern auf hohem Niveau in der DDR in den Zirkeln schreibender Arbeiter gepflegt wurde.
Rüdiger Bernhardt ist aber auch ein ausgewiesener Kenner der neueren und neuesten deutschen Literatur. Als Literaturwissenschaftler ist er mit zahlreichen Einzeluntersuchungen, Herausgeberschaften und Analysen bekannt geworden, darunter Editionen der Werke Henrik Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und zahlreicher schreibender Arbeiter.
1993 wurde Rüdiger Bernhardt in Halle als Professor durch einen „Aufhebungsvertrag aus strukturellen Gründen“ „abgewickelt“. 1994/95 lehrte er an der Christian-Albrecht-Universität in Kiel und 1997/98 an der Universität in Szcezcin.
Seither engagiert er sich in der Organisation wissenschaftlicher Tagungen, vorwiegend zur DDR-Literatur. Aus seinen Veröffentlichungen seit der konterrevolutionären Wende ragt die erste wissenschaftliche Peter-Hille-Biografie heraus. Im November erscheint eine Sammlung seiner Arbeiten unter dem Titel „Vom Schreiben auf dem Bitterfelder Weg“ im Neue Impulse Verlag.
Neben seiner umfangreichen wissenschaftlichen Tätigkeit nimmt er sich regelmäßig Zeit für Rezensionen und Kommentare in der UZ.
Jahrestage und Jubiläen bieten Gelegenheit, auch mal ein Wort zu sagen, das im Alltag zu oft vergessen wird. Am 8. September wird Rüdiger Bernhardt 75 Jahre alt. Die UZ-Redaktion sagt Dank für viele Jahre zuverlässiger und freundschaftlicher Zusammenarbeit und wünscht weiterhin gute Gesundheit und Schaffenskraft.
Auf viele Jahre!