Israels Siedlungsbewegung ist in Feierlaune. Am 6. Februar hat das israelische Parlament mit 60 gegen 52 Stimmen ein sogenanntes Regulierungsgesetz verabschiedet. Es soll den über Jahre betriebenen völkerrechtswidrigen Landraub im Westjordanland legalisieren. Der „Gesetzesvorschlag zur Regelung der Besiedlung Judäas und Samarias“ erklärt sogenannte wilde Außenposten mit tausenden Wohnungen, die auf palästinensischem Privatland errichtet wurden, rückwirkend für rechtens. Das Gesetz soll die israelische Besiedlung der Westbank „ein für alle Mal regeln“, tönte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, freilich ohne selbst die Hand zum Rechtsbruch zu heben und an der Abstimmung teilzunehmen.
Der Knesset-Ukas zum Siedlungsbau wird vor dem Internationalen Gerichtshof keinen Bestand haben. Und auch vor israelischen Gerichten sind erste Klagen bereits eingereicht. Allein, es ist die politische Botschaft, die zählt und die die Stimmung in der weit nach rechts gerückten israelischen Bevölkerung auf den Punkt bringt. Rechtsnihilismus lohnt sich, solange er die Palästinenser trifft. Seit den sogenannten Osloer Friedensverträgen Anfang der 90er Jahre, vermittelt vom damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, haben sich beide Seiten offiziell zur Zwei-Staaten-Lösung bekannt. Allein, mit jedem Jahr wurde die Schaffung eines palästinensischen Staates unwahrscheinlicher. Israels Siedlungsbewegung wurde radikaler, größer und einflussreicher. Mehr als 600 000 Siedler haben sich mittlerweile im palästinensischen Westjordanland und in Ostjerusalem niedergelassen. Sie haben sich eine Parallelwelt geschaffen, die Palästinenser hinter Mauern verbannt. Sie denken gar nicht daran, das besetzte Gebiet zu räumen oder sich als gleichberechtigte Bürger in einen palästinensischen Staat zu integrieren. Im Gegenteil: Die meisten fordern die vollständige Entrechtung der angestammten Bevölkerung und den kompletten Anschluss des Gebietes an Israel.
Das „Regulierungsgesetz“ bringt die offene Verachtung Israels für die Vereinten Nationen zum Ausdruck. Erst kurz vor Weihnachten 2016 hatte der Sicherheitsrat noch den israelischen Siedlungsbau deutlich verurteilt. Die Entschließung war politisch beachtlich, hatte die US-Regierung des scheidenden Präsidenten Barack Obama doch kein Veto eingelegt und sich stattdessen der Stimme enthalten. Mit konkreten Konsequenzen war allerdings auch diese Resolution nicht verbunden.
De facto stellt das „Regulierungsgesetz“ eine endgültige Abkehr der von Israel offiziell verfolgten Zweistaatenlösung dar, ohne zu erklären, was denn die Alternative ist bzw. welche Perspektive die Palästinenser haben sollen. Unverhohlen wird der weitere Ausbau der Siedlungen im Westjordanland als Staatsziel proklamiert. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin ging deutlich auf Distanz zum Knesset-Beschluss: „Die israelische Regierung kann israelisches Gesetz nicht auf Gebiete ausdehnen, die nicht unter ihrer Souveränität stehen. Dies würde Israel wie einen Apartheidstaat aussehen lassen.“ Die israelische Friedensgruppe Peace Now warnte, mit dem Gesetz werde „Diebstahl zur offiziellen israelischen Politik“.
Groß war die Aufregung, als der neue US-Präsident Donald Trump beim Treffen mit Benjamin „Bibi“ Netanjahu wenige Tage nach dem Knesset-Coup mit dem Mantra von der Zweistaatenlösung aufräumte. Er könne sowohl mit einer Zweistaatenlösung als auch mit nur einem Staat leben. Er werde mit jener Lösung einverstanden sein, die „beide Verhandlungsparteien mögen“, so Trump.
Im Vergleich zum israelischen Rechtsbruch schlugen jetzt die Wogen hoch. Die Zwei-Staaten-Lösung bleibe „der einzige Weg“, um die Bestrebungen von Israelis und Palästinensern zu erfüllen, erklärte der UN-Nahostbeauftragte Nikolai Mladenow. Und weiter: „Einige mögen an der Illusion festhalten, dass der Konflikt unbegrenzt ‚gemanagt‘ werden könnte und dass das Fehlen einer klaren Strategie zur Förderung des Friedens schon eine Strategie an sich ist.“ Frankreichs US-Botschafter François Delattre warnte, „wenn die Aussicht auf einen palästinensischen Staat verschwinden sollte, würde dies das Tor für mehr Extremismus und mehr Terrorismus öffnen“. Und der neue deutsche Außenminsiter Sigmar Gabriel bekundete, die Bundesregierung halte die Zwei-Staaten-Lösung „für die einzig realistische Option“ und werde „alles dafür tun, dass diese Option weiter verfolgt wird“. Auch die Arabische Liga blies ins Horn: Nur mit der Zweistaatenlösung sei ein „gerechter Frieden“ möglich, so Generalsekretär Ahmed Abul Gheit.
Allein, die Kritik an der vermeintlichen Kurswende der US-amerikanischen Israel-Politik unter Trump ist wohlfeil, solange Israels Siedlungspolitik als tatsächlicher und täglicher Völkerrechtsbruch nicht sanktioniert wird. Klar ist, mit jedem neuen Siedlungsposten schwindet die Aussicht auf einen lebensfähigen palästinensischen Staat, nicht mit Äußerungen aus dem Weißen Haus, die mal mehr und mal weniger Unterstützung für die israelische Rechtsregierung aufbringen.
Der palästinensische Präsident nannte das Siedlungsgesetz eine „Aggression gegen unser Volk“. Die Hamas brachte Washingtons Nahost-Politik auf den Punkt: „Alle US-Regierungen, inklusive Trump, sind stets voreingenommen für die israelische Besatzung gewesen und haben sich nicht einen Tag ernsthaft dafür eingesetzt, den Palästinensern ihre Rechte zu geben. Der amerikanische Rückzug von seinen schwachen Positionen und Standpunkten ist im Grunde die Darstellung der wachsenden Voreingenommenheit, besonders mit Trump.“