An der Rheinschiene explodieren die Mieten – NRW-Regierung rührt sich nicht

Leerstand und Wohnungsnot

Von Adi Reiher

Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wirken sich die Folgen der Zerschlagung des sozialen Wohnungsbaus in besonderem Maße aus. Das hat auch damit zu tun, dass der Anteil des Wohneigentums mit 39,2 Prozent (bezogen auf die Haushaltsvorstände) hier geringer ist als in anderen Bundesländern. Entsprechend höher ist der Anteil an Mietwohnungen, die im Zuge der verschärften Privatisierung des Wohnungsmarktes in den letzten 20 Jahren zunehmend zum Spekulationsobjekt geworden sind.

Private Kleinvermieter halten 3,148 Millionen, die gewerblichen Wohnungsbesitzer 1,868 Millionen Wohneinheiten. Innerhalb der letzteren Gruppe sind 1,281 Millionen Wohnungen im Privatbesitz, nachdem Bund, Land und verschiedene Industriekonzerne in den letzten zehn Jahren einen Großteil ihres Wohnbestandes verkauft haben. Bund und Land nutzten den Druck der – von ihnen selbst verantworteten – Sparpolitik als wohlfeiles Argument für die Veräußerungen. Konzerne verkauften mietpreisgünstige Werkswohnungen für ihre (teils ehemaligen) Mitarbeiter mit dem vorgeschobenen Argument, man wolle sich auf das Kerngeschäft konzentrieren. Im Ergebnis handelte es sich oft um Lohnsenkungen durch Wegfall übertariflicher Entgeltbestandteile.

Ein Teil der Wohnungen (445 000 Einheiten) gelangte in die Hände von (internationalen) Finanzinvestoren. Diese begannen sich für den deutschen Wohnungsmarkt zu interessieren, weil sie größere Renditemöglichkeiten erkannten als in vergleichbaren europäischen Ländern. Damit meinten sie vor allem die vergleichsweise niedrigen Mieten und die gute Bausubstanz. Ironischerweise verflüchtigen sich die beiden Investitionsgründe, sobald die Investoren planmäßig darangehen, die billig erworbenen Wohnungen teuer zu verkaufen.

Dieses Geschäftsmodell erlitt mit Ausbruch der Krise Ende 2007 einen Dämpfer. Niemand wollte mehr Wohnungen kaufen. Leidtragende waren letztlich die Mieter, die sich mit Mieterhöhungen und dem Ausbleiben von werterhaltenden Maßnahmen konfrontiert sahen. Mittlerweile lohnen sich Wohnungen wieder. Das gilt nicht nur für die Wohnungsspekulanten, sondern auch für die großen privaten Wohnungsbaugesellschaften, die ihre Ware dauerhaft behalten und aus ihr Profit schlagen wollen. Der Dax-Konzern Vonovia erhöhte die Mieten für seine 340 000 Wohnungen allein im ersten Halbjahr 2016 um 1,4 Prozent. Dementsprechend erhöhte man die Erwartung für das operative Ergebnis 2016 um 20 Mio. Euro auf 760 Mio. Euro. Pro Wohnung heißt das 2 235 Euro, die man aus den Mietern herausschlägt.

Die Politik interessiert sich für diese Zustände kaum. In ihrer ersten Regierungserklärung verlor Hannelore Kraft über die Wohnungsfrage gerade einmal sechs Sätze. Das Problembewusstsein der Kommunen in der Wohnungsfrage nannte eine Expertengruppe, die der Landtag eingerichtet hatte, unterentwickelt. Dabei besteht ein riesiger Handlungsbedarf.

Während es auf dem Lande und in den ehemaligen Industriegebieten beträchtliche Wohnungsleerstände gibt, explodieren auf der sogenannten Rhein-Schiene und in anderen Ballungsgebieten die Mieten, ohne dass genügend Wohnraum zur Verfügung stünde. Dort sind mehr als 50 Prozent der Bevölkerung berechtigt, eine öffentlich geförderte Wohnung zu beziehen. Es gibt nur keine, weil z. B. in Düsseldorf vornehmlich Luxuswohnungen gebaut werden. Auch angesichts des Flüchtlingszuzugs bräuchte allein die Landeshauptstadt 95 000 neue bezahlbare Wohnungen bis 2040. Die Statistik fördert zutage, dass es in Düsseldorf 342 000 Wohnungen gibt, aber 346 400 Privathaushalte. Darüber wo die 4 400 überzähligen Mietparteien nächtigen, schweigt sich die Statistik aus.

Der Mieterbund, Mietervereine und Wohlfahrtsverbände fordern seit Jahren Abhilfe – ohne befriedigende Ergebnisse. In ihrem Sofortprogramm zur Landtagswahl fordert die DKP unter anderem den sofortigen Neubau von 200000 Sozialwohnungen, den Aufbau einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit und eine 50-Prozent-Quote für den sozialen Wohnungsbau bei allen Neubauten. Das wäre ein überfälliger Anfang.

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"Leerstand und Wohnungsnot", UZ vom 3. Februar 2017



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