Lebensgefährlich

Am Dienstag veröffentlichte „tagesschau.de“ einen Vorabbericht von „Report Mainz“. Das Politmagazin widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe dem Personalmangel in Jugendämtern. Der sei laut Ergebnissen einer Umfrage derart massiv, dass Kinder dadurch gefährdet wurden. Ähnlich sieht es in der Jugendhilfe aus: Auch dort fehlen Plätze in den stationären Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, so dass diese im Notfall nicht mehr untergebracht werden können.

Neu ist allenfalls das Ausmaß der Zerrüttung dieses für viele Kinder überlebenswichtigen Teils der Daseinsvorsorge. Schon seit Jahren sinkt die Qualität der Arbeit vor allem wegen fehlenden Personals. Dass dies ein selbstverstärkender Prozess ist, kann in allen Bereichen der Daseinsvorsorge beobachtet werden: Personalmangel führt zu Überarbeitung, diese wiederum zu Krankheit und Kündigung, was den Personalmangel wieder verstärkt.

Nicht umsonst kämpft ver.di in diesem Bereich seit Jahren um Entlastung und Aufwertung unter dem Motto „Mehr von uns ist besser für alle!“. Dass die Kompromisse, die in Tarifeinigungen erreicht werden, seit Jahren nicht mit der realen Entwicklung von Überlastung und Abwertung mithalten, weiß auch die Gewerkschaft.

Das Familienministerium antwortete „Report Mainz“, dass ihm die Lage „sehr bewusst“ sei. Dasselbe Ministerium, das gerade die Kindergrundsicherung in den Sand gesetzt hat. Die Kriegsertüchtigung fordert Anstrengungen von allen, wie Christian Lindner sagt. Dafür werden auch tote Kinder in Kauf genommen. Hinter vorgehaltener Hand raunt es schon lange unter denjenigen, die mit Kindeswohlgefährdungen zu tun haben: „Das eigentliche Wunder ist, dass nicht mehr passiert.“

Politik und Verwaltung sind nicht mal in der Lage, kleinste Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Immer wieder wird etwa das Fachkräftegebot in der Jugendhilfe aufgeweicht, ohne aber Möglichkeiten für die Quereinsteiger zu schaffen, sich nachträglich zu qualifizieren. So bleibt den Mitarbeitenden nur, sich um ihre Interessen und damit die der Kinder in ihrer Obhut selbst zu kümmern.

Lernen können sie dabei vielleicht von den Eisenbahnern, die nicht bereit sind zu einem faulen Kompromiss. Oder von den Bauern, die sich bisher nicht mit Versprechungen abspeisen lassen.

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"Lebensgefährlich", UZ vom 26. Januar 2024



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