Lebensfrohe Anarchie

Herbert Becker im Gespräch mit Heinz Ratz von „Strom und Wasser“

Heinz Ratz auf dem UZ-Pressefest

Samstag, 8.9., 12 Uhr, Diskussionsrunde „Rechte im Vormarsch“

Samstag, 8.9., 19 Uhr, Konzert auf dem „Roten Markt NRW“

UZ: Seit über 30 Jahren bist du, wie viele andere Musiker und Bands auch, auf den Bühnen und Plätzen der Republik mit deiner Band „Strom und Wasser“ unterwegs. Was hat dich bewogen, über die Musik hinaus aktiv zu werden?

Heinz Ratz: Ich bekam viel Beifall für die kritischen Texte, aber irgendwann wollte ich mich selbst in die politische Bewegung einbringen und nicht mehr nur begleiten. Musik kann eine gesellschaftliche Waffe sein, deshalb sollte das Engagement direkter und deutlicher werden.

UZ: Genau deshalb hast du Mitte der 2000er Jahre den „Moralischen Triathlon“ gestartet, der starke Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche Zustände richtete, die nicht in Ordnung sind. Ein Erfolg?

Heinz Ratz: Ich mache meine Projekte nicht, weil ich mir Erfolg verspreche, sondern weil ich sie für notwendig halte. Es sind Angebote und die Gesellschaft kann entscheiden, ob sie sie annimmt, wie sie das z. B: bei meinem Fluchtschiff-Projekt tat, einer Tour, die auf die Situation speziell von geflüchteten Frauen aufmerksam machte. Ein wichtiges Projekt, bei dem wir vielen Frauen helfen und ein Bewusstsein für ihre Situation schaffen konnten.

UZ: Im letzten Jahr wurde das „Büro für Offensivkultur“ von dir und Konstantin Wecker gegründet, die die Hilfe von Künstlern bei dem vor Ort zu führenden Kampf gegen Faschisten und andere Rechte jeglicher Coleur organisierten. Wie beurteilst du bis jetzt diese Arbeit?

Heinz Ratz: Es hat sich ein großartiges, dichtes und weites Netzwerk gebildet, für das wir über 170 Konzerte eintrittsfrei und nur auf Spendenbasis gespielt haben, oft in Gegenden, die rechts dominiert sind. Bis heute haben wir rund 20 000 Unterstützer für die Arbeit des Büros gefunden, es ist eine sehr erfolgreiche, stille Arbeit gewesen.

UZ: Ganz was anderes: Wie beschreibst du den Musikstil, die Musikrichtung der Band?

Heinz Ratz: Ska-Punk-Polka-Walzer-Tango-Randfiguren-Rock!

UZ: In diesem Herbst willst du dein neues Projekt vorstellen, kannst du dazu schon etwas sagen?

Heinz Ratz: Die soziokulturellen Zentren und selbstverwalteten Jugendhäuser sind bedroht, es sind Orte der Weltoffenheit, basisdemokratisch, tolerant, jung und fernab vom Mainstream auch immer bereit, ein Zuhause für diejenigen zu sein, die es sonst schwer haben in der Gesellschaft. Diese Orte brauchen unsere Unterstützung. Die rechten Parteien werden höchstwahrscheinlich in alle kommunalen Kulturgremien rein kommen, sie werden Kultur- und Bildungsentscheidungen treffen und auf jeden Fall alles tun, die ohnehin angeschlagenen Kulturzentren und Jugendhäuser zu schließen oder umzugestalten. Wir planen deshalb Konzerte in großen oder besonders reichen Städten, oder Städten, in denen solidarische Kultureinrichtungen sind. Dort werde ich zu Fuß in einer Stadtwanderung u. a. auch die größten Unternehmen besuchen und persönlich um Unterstützung bitten und auch abends bei den Konzerten Gelder sammeln. Ich denke, das muss vorbereitend geschehen und nicht erst nach der nächsten Wahlen, denn dann bleibt keine Zeit mehr. Die Aktion soll sich über ein dreiviertel Jahr von Dezember 2018 bis September 2019 hinziehen.

UZ: Du bist beim UZ-Pressefest dabei, und zwar gleich doppelt: Du trittst mit deiner Band auf und du nimmst an Diskussionsrunden teil. Was können wir erwarten?

Heinz Ratz: In der Diskussion will ich von meiner Vision erzählen, wie wir einen Weg finden aus dem neuen Faschismus und alten Kapitalismus heraus und hin zu einer solidarischen und gerechten Gesellschaft. Unser Konzert ist immer lebensfrohe Anarchie mit einem Schuss Philosophie.

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"Lebensfrohe Anarchie", UZ vom 17. August 2018



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