Endlich. Die Gelegenheiten sich preiswert als Wahrer nationaler Interessen zu profilieren sind rar. Insbesondere im auf Europa-Domestizierung ausgerichteten Berliner Polititzirkus. Nun lieferte Jean-Claude Juncker die Steilvorlage und von Angela Merkel bis Frauke Petry gab sich das gutbürgerliche politische Personal „empört“ über das Vorhaben Brüssels, das „Freihandels“-Abkommen mit Kanada gewissermaßen im Alleingang durchzuwinken. Die EU-Kommission ruderte am Dienstag dieser Woche vorerst zurück, aber sie wissen, dass bei einer echt demokratischen Entscheidung über CETA das ganze Abkommen umgehend eingestampft werden könnte.
Die mit dem Brexit verbundene Erosion des imperialistischen Großprojektes, Konzern-Europa unter deutscher Führung steckt dem Berliner und Brüsseler Establishment mächtig in den Knochen. Da ist populistisches Kreidefressen angesagt, links blinken und das Demokratiefähnchen hissen. Und da darf der Genosse der Bosse, Sigmar Gabriel, auch wieder einmal – ganz politically incorrect – das vormoderne Wort „Klassenkampf“ ins Mikrofon schimpfen. Sein Verein hat es momentan besonders schwer. Wenn es so weitergeht, machen ihm die Damen Petry oder Peter noch seinen Sitz neben der Kanzlerin streitig. (Oder vielleicht feiert Frau Roth an der Seite von Frau Merkel ein Comeback. Das wäre eine Freude).
An der festen Absicht der Berlin/Brüsseler Strategen, CETA und TTIP auch gegen alle Widerstände durchzuziehen, sollte niemand Zweifel hegen. Insofern hat Jean-Claude Juncker natürlich nur ausgesprochen, was alle denken. Je mehr mitentscheiden dürfen, umso geringer die Chance, dass es klappt. Daher ist auf die genaue Wortwahl zu achten. Da ist viel von Mitwirkung die Rede, selten von souveräner Entscheidung. Auf welcher Grundlage denn auch? Wie kann ein Parlament, repräsentative Demokratie einmal akzeptiert, auf Grundlage welchen Wählervotums souverän entscheiden, wenn niemand weiß worüber? Wenn überhaupt, dann entscheiden, wie immer, allenfalls die Fraktionsleitungen. Und dort wird Her Masters Voice wohl kaum überhört werden.
Aus Konzern-Europa wird keine demokratische Veranstaltung von Unten werden, da können sich „Merkbriel“ beruhigt in die Empörungspose werfen. Nebenbei hilfreiche Munition für den von Schäuble & Co. schon längst geplante Umbau der EU-Spitze. Entweder dieses Europa oder keins. Das durfte schon Alexis Tsipras lernen. Es wird anderen nicht anders gehen.