Die Situation bei Opel spitzt sich zu: Das Management verlangt von den 19 000 deutschen Opel-Beschäftigten den Verzicht auf die Tariferhöhung von 4,3 Prozent, auf übertarifliche Lohnbestandteile sowie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Nur unter der Voraussetzung eines solchen Verzichts ist PSA bereit, am Standort Eisenach gerade mal so viel zu investieren, dass dort ein Fahrzeugmodell produziert werden kann. Damit wäre das Werk aber nur zur Hälfte ausgelastet und somit wäre trotz Lohnverzichts eine Halbierung der 1 800-köpfigen Belegschaft die Folge.
IG Metall und Betriebsrat bezeichnen dieses Vorgehen zu Recht als Erpressung und berufen sich auf die Pflicht zur Einhaltung aller abgeschlossenen Tarifverträge. Dazu gehören auch die Tarifverträge mit dem alten Eigentümer GM zur Auslastung aller Werke in Deutschland immerhin bis zum Jahr 2020, die PSA mit seinem Vorgehen bricht.
Dagegen regt sich Widerstand. Nach Jahren des Lohnverzichts scheinen die Kollegen zu wissen, dass so keine Sicherheit zu erreichen ist. Auf einer ersten Protestaktion am 24. April in Eisenach waren Solidaritätsdelegationen der anderen Standorte anwesend. Das lässt hoffen, dass IGM und Betriebsrat anders als vor fünf Jahren bei der Schließung von Opel Bochum auf die Solidarität der ganzen Belegschaft setzen und nicht bereit sind, einen Standort fallen zu lassen.
Das Management konnte in einer Einigungsstelle bereits einen „sozialverträglichen“ Arbeitsplatzabbau von 3 700 Stellen (die Hunderte entlassene Leiharbeiter sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt) durchsetzen. Über Altersteilzeit, Vorruhestandsprogramme und freiwillige Abfindungen sollen Kollegen gehen. Außerdem werden durch Kurzarbeit und die Kürzung der 40-Stunden-Verträge auf die tariflichen 35 Stunden kurzfristig Kosten gesenkt.
Der Run auf die Ausstiegsprogramme ist groß. Laut Betriebsrat gibt es bereits mehr als genug Freiwillige, die über die Altersteilzeit- und Vorruhestandsregelungen gehen wollen. Trotzdem werden vom Management die Abfindungsprogramme mit viel Tempo weiter vorangetrieben. In einer internen Mitarbeiternachricht fragt der Betriebsrat daher: „Wieso will die Geschäftsleitung mehr Personal abbauen, als von ihr selbst in der Einigungsstelle und gegenüber IG Metall vorgetragen?“ Da die gesetzlich notwendige „Massenentlassungsanzeige“ erst am 25. April beim Betriebsrat eingegangen ist, hat dieser den Personalabbau zunächst stoppen können, bis die 14-tägige Anhörungsfrist abgelaufen ist.
Im Zusammenhang mit den fehlenden Investitionszusagen für die Standorte entsteht so eine sehr gefährliche Situation. Die Lage erinnert fatal an die Werksschließung von PSA Aulnay in 2013. Intern war schon 2011 entschieden worden, dass das Werk geschlossen wird. Um die Belegschaft ruhig zu halten und weitere Zugeständnisse zur „Rettung“ des Werks durchzusetzen, wurde der Beschluss aber verheimlicht.
Am Rande der Aktionärsversammlung von PSA sagt dessen Chef Tavares in Bezug auf den Konflikt mit der IG Metall: „Das wird noch etwas Lärm machen.“ Er macht damit deutlich, dass er eine harte Linie fahren will und ein Nachgeben für ihn vor dem Hintergrund der gigantischen weltweiten Überkapazitäten und dem gnadenlosen Konkurrenzkampf der Automobilkonzerne nicht in Frage kommt.
Dabei setzt PSA auf die Strategie, die Standorte einzeln abzufrühstücken und internationale Solidarität gar nicht erst aufkommen zu lassen. Nach den vorangegangenen massiven Kürzungen in den französischen Werken von PSA wurden inzwischen auch an den anderen Opel-Standorten in Spanien, England, Ungarn, Polen und Österreich entsprechende Vereinbarungen mit den Gewerkschaften abgeschlossen. Aus Angst um die Zukunft ihrer Standorte haben die Kollegen dort bereits Lohnverzicht und Arbeitszeitflexibilisierung zugestimmt. Jetzt konzentriert sich das Feuer auf die deutschen Belegschaften.
Der Betriebsrat hat den genannten Arbeitsplatzabbau letztlich ohne Widerstand hingenommen. Die IG Metall hat gegen eine Beschäftigungsgarantie bis 2025 sogar Lohnverzicht in Aussicht gestellt. Beide sind aber mit ihren Kompromissavancen bei PSA auf taube Ohren gestoßen. Sie scheinen ehrlich empört und entsetzt über das Vorgehen von PSA zu sein. Die Co-Management-gewohnten Strukturen werden durch die Unnachgiebigkeit der Kapitalseite in die Konfrontation getrieben. Ganz ungewollt und ungewohnt findet sich die IG Metall nun in der Rolle des letzten Widerstandsnests in Europa.
Jetzt kommt alles darauf an, dass die Einheit der Opel-Belegschaften hält, damit vielleicht doch noch internationale Unterstützung aus anderen europäischen Standorten von PSA mobilisiert werden kann, und gegen die weltweiten Überkapazitäten hilft letztlich nur einer konzernübergreifende gewerkschaftliche Gegenstrategie.
Wertvolle Zeit hierfür ist bereits nutzlos vertan worden. Schon vor einem Jahr hatte eine Gruppe von Vertrauensleuten verlangt, sich auf die schon damals aus den Erfahrungen der PSA-Kollegen absehbaren Angriffe vorzubereiten und mit der CGT die notwendige Zusammenarbeit aufzubauen. Damals hieß es aus der BR-Zentrale, jetzt sei erst einmal Ruhe die erste Bürgerpflicht und man dürfe den Arbeitsplatzabbau nicht herbeireden. Diese Ruhe hat die Gegenseite genutzt, wir leider nicht.