Bundesregierung treibt Wettbewerb und das Ausbluten des Gesundheitssystems voran

Lauterbach auf Linie

Nora Hachenburg

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bleibt seiner Linie treu – und damit der der Konzerne und Kapitalisten. Als Reaktion auf die vielfältige Kritik an seiner Krankenhausreform und den bundesweiten Protesttag der Deutschen Kranken­hausgesellschaft kündigte er für diese Tage zwar Nachbesserungen an. Vor allem aber zündete er eine Nebel­kerze, indem er darauf hinwies, dass die Bundesländer vor allem ihrer Pflicht zur Finanzierung der Investitionskosten nachkommen müssten.

Diese Forderung ist so richtig wie unzureichend. Denn Auslöser der aktuell drohenden Krankenhausschließungen ist die unzureichende Deckung der Betriebskosten durch die Krankenkassen. Und die Regelung dieser Finanzierung ist Aufgabe des Bundes. Sie wäre der notwendige Bestandteil einer Krankenhausrevolution, inklusive der kompletten Abschaffung der Fallpauschalen, die Lauterbach um jeden Preis vermeiden will (UZ vom 22. September).

Insofern werden die angekündigten Veränderungen und Konkretisierungen zur Reform Klein-Klein bleiben. Ohnehin zieht sich die Stabilisierung des Fallpauschalensystems (DRGs) wie ein roter Faden durch die einzelnen geplanten Veränderungen, die Lauterbach frecherweise auch noch unter der Überschrift „Entökonomisierung“ laufen lässt.

Der Lerneffekt aus Corona war, dass Krankenhäuser auch dann finanziert werden müssen, wenn gerade keine hohe Belegung vorhanden ist und kleinere Krankenhäuser die Versorgung vor Ort nur sicherstellen können, wenn sie aus den DRGs herausgenommen werden. Mit der Krankenhausreform wird darauf reagiert, indem Vorhaltepauschalen eingeführt werden. Zukünftig bekommen die Krankenhäuser 40 Prozent der bisherigen Leistungen aus den DRGs pauschal. DRGs werden aber in reduzierter Form fortbestehen und sicherstellen, dass über die Minderung von Arbeits- und Versorgungsqualität weiter Gewinne erzielt werden können. Zudem wird über das Umrechnungsverfahren zur Einführung der Vorhaltepauschalen ein Marktvorteil für diejenigen Krankenhäuser geschaffen, die bisher die DRGs am geschicktesten ausgenutzt haben.

Die vom Bund ursprünglich gewünschte Einteilung der Krankenhäuser in verschiedene Versorgungslevel konnte Lauterbach gegen die Bundesländer nicht durchsetzen. Über ein sogenanntes Transparenzgesetz, mit dem er nicht durch den Bundesrat muss, wird er trotzdem eine Level-Einteilung durch die Hintertür vornehmen. Damit wird aus seiner Sicht Patientinnen ermöglicht, sich gute Krankenhäuser auszusuchen. Die Begründung, durch solche Rankings werde „die intrinsische Motivation“ der Beschäftigten in den Krankenhäusern gestärkt, ist noch unanständiger. Das Ziel wird sein, über diese Transparenzrankings den Druck auf Kliniken zu erhöhen – bis hin zu Schließungen. Auch wenn nun nicht mehr – wie zunächst vorgesehen – die Möglichkeit besteht, Druck auf schlecht gelistete Kliniken durch finanzielle Sanktionen auszuüben.

Auch ohne Level-Einteilung führt die Reform dazu, dass unter der Überschrift „sektorübergreifende Versorger“ kleinere Krankenhäuser vor Ort umgewandelt werden in Mischungen aus Pflegeheimen und ambulanten Versorgungszentren, die keine Notfallversorgung mehr anbieten und vom Rettungsdienst nicht angefahren werden dürfen.

Passend dazu wird die Tür geöffnet, in diesen Kleinstkrankenhäusern die vollständige Refinanzierung der Pflegepersonalkosten aufzugeben, so dass dort wieder der Wettbewerb über Personalabbau eröffnet wird. Ohnehin werden die Konzerne mit wachen Augen darauf achten, wie sich in diesem Segment – ähnlich wie mit Rehakliniken und Medizinischen Versorgungszentren – Gewinne erzielen lassen, gerade weil in diesen Häusern häufig keine gewerkschaftlichen Strukturen und Tarifverträge vorhanden sind.

Bundesweit einheitlich wird die Einteilung der erbrachten Krankenhausleistungen in 65 Leistungsgruppen eingeführt. Krankenhäuser dürfen diese Leistungen dann nur noch erbringen, wenn sie auch die noch festzulegenden Qualitätskriterien erfüllen. Das betrifft zum Beispiel die Durchführung von bestimmten Operationen. Auch wird durch eine Hinterlegung der einzelnen DRGs zu diesen Leistungsgruppen das Fallpauschalensystem stabilisiert. Und da diese Kriterien noch nicht festgelegt sind, birgt dies zusätzliche Risiken, dass ungewollte Krankenhäuser geschlossen werden. Die Begründung wäre dann, dass sie ja – leider – die Qualität nicht liefern, die man erwarten darf.

Es ist der Komplexität der Krankenhausfinanzierung geschuldet, dass sich eine Bundesregierung hinstellen kann, von „weniger Markt“ spricht und dabei in Wirklichkeit den Wettbewerb und das Ausbluten des Gesundheitssystems vorantreibt. Die kommenden Reförmchen und Änderungen werden diese Komplexität noch weiter steigern. Dem gegenübergestellt gehört ein Gesundheitssystem, das sehr einfach ist: Das, was notwendig ist, um die Bevölkerung gut zu versorgen, wird sichergestellt und finanziert. Das Geld dafür ist vorhanden, wird aber bewusst in Rüstung und Dividenden gesteckt. Die Kämpfe dafür gilt es zu organisieren und Lauterbach und Co. an jeder Stelle zu entlarven.

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"Lauterbach auf Linie", UZ vom 6. Oktober 2023



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