Museum kündigt Zusammenarbeit mit Sprecher von Palästina-Camp in Frankfurt auf

Lasst Daniel arbeiten!

Initiative Students-4Palestine Frankfurt am Main

Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Offener Brief der Initiative Students-4Palestine Frankfurt am Main, der sich gegen die die Suspendierung Daniel Shuminovs durch das Historische Museum richtet. Der Brief wurde inzwischen von zahlreichen Einzelpersonen und Organisationen unterzeichnet. Zu den Erstunterzeichnern gehören auch die SDAJ und die DKP Frankfurt am Main.

Daniel Shuminov wurde aufgrund seiner Rolle als Sprecher des Palästina-Camps „Hind’s Garden“ an der Goethe-Universität Frankfurt ohne Erklärung von seiner Tätigkeit als Guide und Publikumsbetreuer im Historischen Museum Frankfurt suspendiert.

Das Protestcamp „Hind’s Garden“ vom 20. bis zum 26. Mai 2024 fand als Reaktion auf die anhaltende Eskalation im Gazastreifen statt, bei der mittlerweile viele zehntausende Menschen getötet oder verwundet wurden. Auf dem Camp wurde auf die gezielte Zerstörung aller Bildungseinrichtungen in Gaza und die systematische Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung hingewiesen – der Diskursraum, den Bildungsinstitutionen in Frankfurt nicht ausreichend zugelassen hatten, wurde geboten. Daniel trug hier dazu bei, einen offenen und vielseitigen Dialog zu gestalten. Er selbst hat einen teilweise jüdischen Familienhintergrund, fast die Hälfte der Podien war mit jüdischen Stimmen besetzt. Die Forderungen des Protestcamps wurden nicht selbst gesetzt, sondern entstanden im offenen, einwöchigen Dialog mit der Studierendenschaft und anderen Interessierten.

Obwohl das Leitbild des Museums von „Multiperspektivität“ und „alltagsrelevanten Perspektiven“ spricht, erhält Daniel wegen der Unterstützung dieses Dialogs keine neuen Aufträge. In einem Telefonat Anfang Juni wurde ihm mitgeteilt, dass seine Teilnahme am Palästina-Camp „zu Bedenken geführt habe“. Seitdem war die Leitung des Museums weder schriftlich noch mündlich bereit, das einseitige Beenden aller Aufträge zu begründen, obwohl sie mehrfach darum gebeten wurde. Ein von Daniel beantragtes protokolliertes Gespräch mit Anwesenheit einer Begleitperson wurde von der für die Suspendierung verantwortlichen kommissarischen Direktorin, Susanne Gesser, verweigert. Auch Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität und Mitglied des Kuratoriums im Museum, trägt Verantwortung für die Repression: Er hatte dem Protestcamp unter anderem öffentlich unterstellt, eine Gefahr für den am Campus ansässigen Kindergarten zu sein, und distanzierte sich auch nach gegenteiligen Aussagen der Kindergartenleitung und dem friedvollen Ablauf des Camps nicht von seinen Diffamierungen.

Daniel war vier Jahre lang als Guide im Historischen Museum hauptsächlich für die Vermittlung der Geschichte des Faschismus in Frankfurt eingesetzt und ist seit bald 15 Jahren auf verschiedenste Art gegen rechte Hetze aktiv. Die effektive Suspendierung durch den Auftragsstopp aufgrund seines Engagements für Menschenrechtsfragen bedeutet nicht nur eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern gefährdet auch seine Existenzgrundlage, da er während des Abschlusses seines Studiums nun stärker prekarisiert ist. Auch wird mit dem Verhalten der Museumsführung impliziert, dass eine Aufklärung über den Holocaust nur noch von jenen durchgeführt werden könne, die die israelischen Kriegsverbrechen an der palästinensischen Bevölkerung dulden. Diesen undemokratischen Vorgang kritisieren wir aufs Schärfste. Immerhin ermittelt der Internationale Gerichtshof gegen Israel wegen des Verdachts des Genozids; dies sollte auch die Leitung des Historischen Museums beachten. Das Gedenken an die Verbrechen des deutschen Faschismus schließt nicht den Einsatz für Menschenrechte und für das Völkerrecht, überall in der Welt, aus; das zweite resultiert aus ersterem.

Das Historische Museum Frankfurt bezeichnet sich selbst als „Ort des Wissens, der Reflexion und Diskussion“. Es hat den Anspruch, Stadtgeschichte mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zu verbinden und die eigene koloniale Geschichte zu reflektieren. Dieser Anspruch ist richtig; als städtische Institution hat das Museum auch eine Verantwortung gegenüber allen Menschen in Frankfurt. Es hat die Verantwortung, diesen Raum konsequent zu schaffen, statt jene zu sanktionieren, die im städtischen Diskurs engagiert sind. Entsprechend fordern wir das Historische Museum auf, sich seiner Verantwortung bewusst zu werden, die Suspendierung von Daniel Shuminov sofort aufzuheben und diese sowohl intern als auch öffentlich kritisch aufzuarbeiten.

Mehr Infos und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es hier: lasstdanielarbeiten.wordpress.com.

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"Lasst Daniel arbeiten!", UZ vom 11. Oktober 2024



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