Zu den türkischen Angriffen auf Syrien

Lange geplant

Am 13. November explodierte eine Bombe in Istanbul, tötete sechs Personen und verletzte Dutzende. Für die türkische Regierung waren die Verantwortlichen schnell ausgemacht: Die kurdische PKK und die Volksverteidigungseinheiten YPG. Offiziell wandte sich die türkische Regierung auch gegen die US-Regierung als Unterstützer der YPG. „Wir wissen, wo der Anschlag koordiniert wurde, und weisen Beileidsbekundungen der US-Botschaft zurück“, erklärte der türkische Innenminister Soylu.

Die türkische Regierung plant schon lange, weitere Gebiete im Norden Syriens zu besetzen und zu annektieren, da kam der Vorwand zur rechten Zeit. Als angebliche Vergeltung für den Anschlag bombardierte die türkische Luftwaffe Ziele im Irak und vor allem in Syrien und richtete massive Schäden an. Ein Krankenhaus, ein Kraftwerk und Getreidesilos wurden zerstört. In den betroffenen Gebieten sind sowohl Soldaten der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) als auch der syrischen Regierung stationiert. Zu den Opfern gehörten mindestens elf Zivilisten, sechs Kämpfer der SDF – sowie offenbar mehr als 20 Soldaten der syrischen Armee.

Erdogan nannte die Luftangriffe „erfolgreich“ und erklärte, er habe vor dem Angriff weder mit US-Präsident Biden noch mit dem russischen Präsidenten Putin gesprochen. Die Türkei habe von beiden Staaten grundsätzlich grünes Licht für solche Aktionen.

Und damit hat er sicher recht. So sehr das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt, international kann Erdogan punkten – und Wahlkampf führen. Noch immer steht die Zustimmung der Türkei zum NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands aus und im Krieg in der Ukraine kann die Türkei nach allen Seiten Druck ausüben.

Schon drei Mal hat die türkische Armee Gebiete im Norden Syriens besetzt. Ihren geforderten Sicherheitsstreifen von 30 Kilometer Tiefe hat sie noch nicht durchgehend besetzen können und schon lange spricht Erdogan von einer weiteren Offensive. Die würde sich gegen Gebiete richten, in denen mittlerweile auch die syrische Armee präsent ist. Wie viele türkische Soldaten später an der Bodenoperation in Syrien und dem Irak teilnehmen werden, so Erdogan, werden die Streitkräfte noch festlegen.

Und wie es sich für ein NATO-Land – und insbesondere für Angriffe auf Syrien – gehört, erklärt die Türkei, die jetzigen Angriffe dienten einzig und allein der Selbstverteidigung. Da muss dann auch das „grüne“ Auswärtige Amt sein Plazet geben.

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"Lange geplant", UZ vom 25. November 2022



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