Bodenspekulation und Landgrabbing stehen auch in Deutschland auf der Tagesordnung: In der ostdeutschen Landwirtschaft hat es in den letzten 27 Jahren einen großen Ausverkauf gegeben. Inzwischen halten überregional aktive Investoren in einem Drittel von 853 untersuchten Agrarunternehmen die Kapitalmehrheit. Das zeigt eine Mitte November vorigen Jahres veröffentlichte Studie des bundeseigenen Thünen-Instituts. Weil die Betriebe immer mehr Fläche in Eigentum haben, kaufen die Investoren mit den Kapitalanteilen zugleich immer mehr landwirtschaftliche Flächen.
Der Kauf von Agrarflächen muss zwar nach dem Grundstückverkehrsgesetz behördlich genehmigt werden, jedoch sind die so genannten „Share Deals“ bislang nicht gesetzlich reguliert. „Die Entwicklung führt dazu, dass das Grundstückverkehrsgesetz in Ostdeutschland faktisch zunehmend an Wirksamkeit verliert“, sagt Andreas Tietz, Wissenschaftler am Thünen-Institut für Ländliche Räume und Autor der Studie.
In der Studie wurden 853 Agrarunternehmen verschiedener Rechtsformen (GmbH, GmbH & Co. KG, Genossenschaft, Aktiengesellschaft) in zehn ostdeutschen Landkreisen daraufhin untersucht, wer die aktuellen Kapitaleigentümer sind und welche Veränderungen der Eigentümerstruktur in den letzten zehn Jahren stattgefunden haben. Überregional aktive Investoren, also Kapitaleigentümer, die nicht vor Ort wohnen, besitzen mittlerweile die Kapitalmehrheit bei 34 Prozent aller untersuchten Unternehmen. Und sie bewirtschaften ein Viertel der von juristischen Personen bewirtschafteten Landwirtschaftsfläche in den untersuchten Gebeten. Jeweils die Hälfte der Fläche entfällt auf landwirtschaftliche Investoren (überwiegend Landwirte aus anderen Bundesländern) sowie auf nichtlandwirtschaftliche Investoren aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen.
Besonders in den letzten zehn Jahren kauften sich verstärkt überregionale Investoren in die ostdeutsche Landwirtschaft ein. In dieser Zeit ist der Studie zufolge in 157 Fällen die Kapitalmehrheit auf neue Eigentümer übergegangen. In 72 Prozent dieser Fälle sind die Käufer überregional aktive Investoren. Besonders in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg kam es zum Ausverkauf.
Diese Entwicklung bedeutet ein Sterben der landwirtschaftlichen Familienunternehmen. Denn nur in 18 Übernahmefällen seien die übernommenen Unternehmen schon vorher in Händen eines überregional aktiven Investors gewesen. In 139 Fällen waren die Voreigentümer ortsansässig und agierten meist als Mehrfamilienunternehmen. Die neuen Mehrheitseigentümer sind dagegen nur in 44 Fällen (28 Prozent) ortsansässig und agieren dann meistens als Einfamilienunternehmen. Dagegen sind 30 Prozent der neuen Eigentümer überregional aktive landwirtschaftsnahe Investoren und 42 Prozent andere Investoren.
Gleichzeitig geht immer mehr landwirtschaftliche Fläche in das Eigentum der Investoren über. Lag der Eigentumsanteil im Jahr 1999 laut statistischer Angaben noch bei fünf Prozent, ist er bis 2016 auf 25 Prozent angewachsen. Dem Bericht zufolge wurden pro Jahr in den untersuchten Regionen Unternehmen mit einem Flächenumfang zwischen 5 300 und 23 100 Hektar von neuen Eigentümern übernommen.
Seit Jahren schon ist diese Entwicklung Gegenstand der Diskussion. Einerseits weil mit den Großinvestoren vor allem Monokulturen auf den Feldern Einzug halten. Umweltschützer warnen vor einer Verödung der Böden. Andererseits ist die Förderpolitik der Bundesregierung Gegenstand der Kritik. Denn diese spült vor allem den landwirtschaftlichen Konzernen Millionen in die Kassen. So hieß es beispielsweise bereits 2012 in einem Bericht des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „44 Prozent der Bauern in Deutschland bekommen nicht einmal 5 000 Euro pro Jahr. Die größten Agrargüter in Deutschland erhalten dagegen ein Drittel der gesamten Direktzahlungen, obwohl sie lediglich zwei Prozent der Betriebe ausmachen.“ So erhielt der börsennotierte Konzern KTG-Agrar rund neun Millionen Euro.
Deshalb fordert jetzt der Bauernbund Brandenburg, der vornehmlich kleine landwirtschaftliche Betriebe vertritt, künftig dürfe es Fördermittel „nur noch bis zu einer betrieblichen Obergrenze geben und nur noch für Betriebe, die sich im Eigentum von ortsansässigen Landwirten befinden, die nicht an weiteren Betrieben beteiligt sind“. Ein Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Landwirtschaftspolitik ist indessen nicht zu erkennen.