Die dritte Verhandlungsrunde in der Metall- und Elektroindustrie ist auch in Baden-Württemberg ohne Ergebnis geblieben. Begleitet wurde sie mit einem großen landesweiten Jugendaktionstag vor dem Verhandlungslokal in Böblingen. Mehr als 2.000 Auszubildende und dual Studierende aus verschiedenen Städten forderten lautstark monatlich 170 Euro mehr Ausbildungsvergütung.
Dass die Jugendlichen so vehement mehr Geld fordern, ist kein Wunder. Denn Auszubildende in der Metall- und Elektroindustrie erhalten aktuell durchschnittlich 1.204 Euro, im ersten Ausbildungsjahr sind es 1.099 Euro. Zum Vergleich: Pflegekräfte im Öffentlichen Dienst bekommen im ersten Ausbildungsjahr über 240 Euro mehr, im Bankgewerbe sind es über 200 Euro und auch in der Textilindustrie in Baden-Württemberg werden heute 146 Euro mehr bezahlt. Selbst die Süßwarenindustrie Ost oder das Gastgewerbe Bayern liegen darüber. Eine Erhöhung um 170 Euro wäre also ein Beitrag, um etwas aufzuholen im Vergleich zu anderen Branchen und mehr Auszubildende für diesen Industriezweig zu interessieren. Schließlich jammern die Metallkapitalisten über Bewerbermangel und fehlende Fachkräfte, ohne jedoch etwas dagegen tun zu wollen.
Aber auch sonst hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Die Auszubildenden steigen nicht mehr mit 16 Jahren ein. Sie beginnen die duale Ausbildung heute im Schnitt mit 20 Jahren. Rund ein Viertel ist sogar 22 Jahre und älter, wenn sie eine Ausbildung beginnen. Das bedeutet, dass viele nicht mehr bei den Eltern wohnen, sondern eine eigene Wohnung oder ein WG-Zimmer finanzieren müssen und ein eigenständiges Leben führen wollen. Bei den hohen Mietpreisen in den großen Städten, wo die meisten Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen, reicht die Vergütung vorne und hinten nicht. So sind viele gezwungen, in umliegenden Städten eine Wohnung zu suchen. Sie müssen lange Fahrtwege in Kauf nehmen oder einen Nebenjob annehmen.
Ein Drittel der Azubis arbeitet sogar in einem Nebenjob, um einigermaßen über die Runden kommen zu können. Da bleibt kaum freie Zeit für anderes. Unternehmer und Politiker sehen es dabei überhaupt nicht als Problem, dass der Jugend die notwendige Zeit und Mittel genommen werden, um sich zu entwickeln.
Dazu kommen die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Rund 80 Prozent der Azubis und dual Studierenden äußerten in der Befragung zur Tarifbewegung in der Metall- und Elektroindustrie 2024 (Auswertung für Stuttgart), dass die steigenden Kosten sie besonders belasten.
Die Mietpreise machen mittlerweile im Schnitt 36 Prozent der Verbraucherausgaben aus, bezogen auf die Ausbildungsvergütung oft sogar mehr als 50 Prozent. Der andere große Block bei den Ausgaben sind Lebensmittel. Diese sind im Juli 2024 im Schnitt mehr als 32 Prozent teurer als vor vier Jahren. Das ist eine durchschnittliche Steigerung seit 2020 um 8 Prozent pro Jahr.
Die geforderten 170 Euro mehr Ausbildungsvergütung im Monat sind also nicht nur gerechtfertigt, sondern längst überfällig. Das brachte die IG-Metall-Jugend bereits während der ersten Verhandlungsrunde in München zum Ausdruck, als sie einen symbolischen Einkaufswagen mit Lebensmitteln übergab. Der Inhalt, den junge Metallerinnen und Metaller bereits vor drei Jahren einmal gekauft haben, ist heute um 34 Prozent teurer als im Jahr 2021.
In der Großen Tarifkommission Baden-Württemberg als auch in der Stuttgarter Delegiertenkonferenz gab es deshalb eine hohe Zustimmung für die Forderung der Jugend. Bei einer digitalen Umfrage auf der Konferenz kam sogar raus, dass die Delegierten für den Warenkorb eines Azubi über 3.000 Euro veranschlagten. Im Vergleich dazu ist die Forderung von 170 Euro überaus bescheiden.
Eine Folge der niedrigen Ausbildungsvergütungen ist, dass immer weniger junge Menschen überhaupt eine Ausbildung anfangen. Sie sind gezwungen zu jobben, um ihren Unterhalt abzusichern. Eine Folge ist, dass 2,86 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren im Jahr 2022 ohne Berufsabschluss geblieben sind.
Anders als früher, als Betriebe sich noch ihre Auszubildenden aussuchen konnten, bleiben heute viele Ausbildungsplätze unbesetzt – und die Betriebe haben zunehmend Probleme, genügend Fachkräfte zu finden. Auch dies ist ein Argument für eine deutliche Erhöhung der Vergütungen.