Wer regieren will, kommt um das Bekenntnis zur NATO nicht herum

Lächelnde Kriegstreiber

Der designierte Außenminister Joseph Fischer war wenigstens bereits gewählt – allerdings noch nicht im Amt –, als er im Oktober 1998 zusammen mit dem baldigen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) der damaligen US-Regierung versicherte, an ihnen werde ein Angriffskrieg gegen Jugoslawien nicht scheitern. Und so war es dann auch. So lange wollte der aktuelle Grünen-Chef und mögliche künftige Außenminister Robert Habeck nicht warten. Noch vor der Bundestagswahl im September will er die allerletzten friedenspolitischen Positionen der Partei endgültig aus dem Weg geräumt haben.
Erst setzte Habeck der Linkspartei die Pistole auf die Brust, als er ihr ins Stammbuch schrieb, in Deutschland schließe eine Regierungsfähigkeit ein Bekenntnis zur NATO ein. Und kurz darauf legte er mit der Aussage nach, die Forderung nach „Defensivwaffen“ für die Ukraine sei berechtigt. Ganz abgesehen davon, dass sich defensive und offensive Waffen kaum unterscheiden lassen, was auch dem Grünen-Chef bewusst sein dürfte, ist eine solche Forderung – eigentlich – eine Verletzung der deutschen Rüstungsexportrichtlinien, keine Waffen in Krisengebiete zu exportieren. Auch das grüne Grundsatzprogramm vom letzten November hatte sich hierzu noch bekannt: „Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete verbieten sich.“

Davon wollen zumindest Teile der grünen Führungsspitze nun also nichts mehr wissen. Ebenso wenig wie von der Forderung nach einem sofortigen Abzug der in Deutschland im Rahmen der „Nuklearen Teilhabe“ lagernden US-Atomwaffen. Auch der wird mittlerweile offen in Frage gestellt und auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, wenn etwa der Grünen-Haushälter und Verteidigungspolitiker Tobias Lindner von einem Zeitfenster zwischen 2030 und 2035 spricht, das hierfür „realistisch“ angepeilt werden könne. Noch weiter ging bereits Anfang des Jahres das Papier „Transatlantisch? Traut Euch!“, dessen Ko-Autorin Ellen Ueberschär auch als eine von zwei Vorständen der Grünen-nahen Böll-Stiftung fungiert. Mit kaum überbietbarem Pathos wird darin schwadroniert, die NATO sei der „Glutkern des Westens“. Deshalb müsse das Bündnis massiv gestärkt werden, damit die USA nicht von der Fahne gehen und am Ende sogar noch ihre Atomwaffen aus Deutschland abziehen würden: „Das kann nur durch eine ambitionierte neue Übereinkunft gelingen, die im Kern besagt: Die europäischen NATO-Staaten – mit Deutschland an erster Stelle – erhöhen ihre Fähigkeiten zur konventionellen Verteidigung erheblich.“ Das entlaste die USA in Europa und erleichtere es ihnen, sich auf den Indo-Pazifik zu konzentrieren und dort die Interessen der liberalen Demokratien zu schützen. Im Gegenzug sollten die USA ihr Bekenntnis zur Verteidigung des gemeinsamen Bündnisgebietes bekräftigen und „durch ihre nukleare Schutzzusage sowie ihre dauerhafte militärische Präsenz in Europa“ untermauern.

Das sind nur einige von vielen Beispielen, die belegen, dass die Grünen längst sturmreif geschossen sind – besonders konfrontativ fallen die Positionen gegenüber China und Russland aus. Wirklich wundern kann das aber nicht: Schon Fischer und Schröder wussten schließlich, dass Regierungsfähigkeit in Deutschland bedeutet, sich ohne Wenn und Aber der imperialistischen Kriegspolitik zu verschreiben. Habeck hat dies zuletzt mit seiner Ansage an die Linkspartei lediglich bestätigt. Wundern muss man sich aber über diejenigen, die den Grünen, nach allem, was sie auf dem Kerbholz haben, weiter irgendeine Nähe zu friedenspolitischen Positionen attestieren.

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"Lächelnde Kriegstreiber", UZ vom 4. Juni 2021



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