Dass es das EU-Parlament war, das am vergangenen Dienstag Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin wählen durfte, täuscht über das Entscheidende hinweg: Trotz Parlamentstheater sind es die größten Mächte Deutschland und Frankreich, die den Kurs der EU bestimmen.
Klassischer bürgerlicher Parlamentarismus bedeutet: Verschiedene politische Richtungen sind im Parlament vertreten, sie handeln einen Kompromiss aus, bis eine Person, die diesen Kompromiss verkörpert, zum Regierungschef gewählt werden kann. Das EU-Parlament konnte von der Leyen nur bestätigen oder ablehnen. Die eigentliche Entscheidung war unter den Regierungschefs gefallen: Ein Personaltableau, das die Aufteilung mehrerer Spitzenämter sorgfältig nach den Machtverhältnissen austariert – unter anderem soll die Französin Christine Lagarde die Europäische Zentralbank leiten. Von der Leyen vorzuschlagen war deshalb so geschickt vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron, weil dieses Tableau verschiedene Spannungen zwischen den EU-Regierungen ausgleichen konnte.
Was von der Leyen in ihrer Rede vor dem EU-Parlament versprochen hat ist belanglos. Die EU ist nicht demokratisch organisiert. Die Aufgabe des Kommissionspräsidenten ist, Zuckerbrot und Peitsche zu verwalten: Wie scharf soll sie das Spardiktat durchpauken? Wie die deutschen und französischen Interessen so ausgleichen, dass der weiteren Militarisierung nichts im Wege steht? Wie viele Migranten ertrinken lassen oder retten, dass der Binnenmarkt mit seinen Profitmöglichkeiten nicht zerbricht?
Das Gezerre um die Posten hat auch gezeigt: Was sich in GroKo-Streit und „Niedergang der Volksparteien“ ausdrückt, heißt auch, dass die Führungsmannschaft des deutschen Imperialismus in Unordnung ist. Diese Mannschaft freut sich, dass eine der ihren an die Spitze der Kommission rückt – aber es war der französische Präsident, der sie dort hingesetzt hat.