USA hoffen auf Venezuela: Caracas soll russisches Erdöl in den USA ersetzen. Dessen Import hatte die Biden-Regierung verboten

Kurswechsel Washingtons

Im Schatten des Krieges in der Ukraine kommt es auf dem amerikanischen Kontinent offenbar zu einem Kurswechsel der US-Regierung gegenüber Venezuela. Wie beide Regierungen bestätigten, kamen Anfang März Vertreter Washingtons in Caracas mit Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro, dessen Frau Cilia Flores und Parlamentspräsident Jorge Rodríguez zusammen. Es war die erste Begegnung seit 2019, als die USA ihre diplomatischen Beziehungen zu Venezuela abgebrochen und den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als „Übergangspräsidenten“ des südamerikanischen Landes „anerkannt“ hatten. In der Folge hatte Washington den Wirtschaftskrieg gegen Venezuela immer weiter verschärft und unter anderem alle Erdölimporte gestoppt und Vermögen des venezolanischen Staates auf US-Konten gesperrt.

Nun aber sehen sich die USA auf das „schwarze Gold“ aus Venezuela angewiesen, nachdem US-Präsident Joseph Biden wegen des Ukrainekriegs alle Öl- und Gasimporte aus Russland verboten hatte. Zwar produziert man inzwischen einen Großteil der für den eigenen Energieverbrauch notwendigen Reserven durch Fracking selbst, doch die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, bestätigte gegenüber Journalisten, bei dem Treffen in Caracas sei es „vor allem um die Energiesicherheit“ gegangen.

Sichtlich zufrieden kommentierte Maduro nach dem zweistündigen Gespräch im Präsidentenpalast Miraflores, seine Regierung sei bereit, die Erdölproduktion zu steigern, „wenn das für die Stabilität der Welt“ notwendig sei. Die Unterredung sei „respektvoll, herzlich und sehr diplomatisch“ gewesen, so der Staatschef. Man sei übereingekommen, die Gespräche fortzusetzen und eine „positive Agenda“ zu entwickeln. Nahezu zeitgleich vermeldete das State Department in Washington die Freilassung von zwei US-Bürgern, die in Venezuela im Gefängnis gesessen hatten. Gustavo Cardenas, ein Spitzenmanager des Erdölunternehmens Citgo, der US-Tochter von Venezuelas Staatskonzern PDVSA, war 2017 wegen Korruptionsvorwürfen inhaftiert worden, während Jorge Alberto Fernandez Anfang 2021 als Terrorist verhaftet wurde, nachdem er im grenznahen Bundesstaat Táchira mit einer Drohne entdeckt worden war. Die venezolanischen Behörden sprachen davon, die beiden Männer seien aus „humanitären Gründen“ freigelassen worden.

Auf wenig Verständnis stößt das bei Venezuelas Kommunisten. Oscar Figuera, Generalsekretär der Kommunistischen Partei (PCV), wies via Twitter darauf hin, dass noch immer mehrere Gewerkschafter inhaftiert seien, die Missstände in ihren Betrieben angeprangert hatten: „Humanitäre Maßnahmen für die Feinde des Heimatlandes, während Dutzende Arbeiter weiter ohne Rechtfertigung eingesperrt sind, weil sie ihre Rechte eingefordert und Korruption angeprangert haben. Schluss mit der Straflosigkeit! Schluss mit der Kriminalisierung der Arbeiterkämpfe!“

Eine offizielle Stellungnahme zu den Kontakten zwischen Caracas und Washington gibt es von der PCV bislang nicht. Bereits seit längerer Zeit werfen die Kommunisten der Regierung von Präsident Maduro jedoch vor, der imperialistischen Aggression nachzugeben und dabei die Errungenschaften der „Bolivarischen Revolution“ zu opfern. Die PCV kritisiert eine „schleichende Privatisierung“ staatlicher und verstaatlichter Unternehmen. Ein vom Parlament beschlossenes „Antiblockadegesetz“ erlaubt es der Regierung, geheime Wirtschaftsabkommen mit Investoren abzuschließen, ohne dass diese öffentlich kontrolliert werden können. Caracas begründet das damit, auf diese Weise Strafmaßnahmen der USA und der Europäischen Union gegen Handelspartner verhindern zu wollen.

Venezuelas Außenminister Félix Plasencia betonte bei einem internationalen Forum im türkischen Antalya, sein Land sei ein „zuverlässiger Verbündeter“ Russlands und respektiere dessen Präsidenten Wladimir Putin als „verantwortungsvolles Mitglied der internationalen Gemeinschaft, der das Beste für das Volk tun wird“. Zugleich sei man aber auch bereit zu Geschäften mit den USA. Deren Erdölunternehmen seien in Venezuela willkommen, wenn sie zurückkehren wollten. „Wir betreiben seit 100 Jahren Erdölgeschäfte mit US-Unternehmen und haben nie von ihnen verlangt, das Land zu verlassen. Wenn sie die Souveränität und das Recht meines Landes respektieren, können wir vieles zusammen erreichen.“ Am Rande des Forums kam Plasencia auch mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zusammen. Details über die Inhalte des Gesprächs wurden nicht bekannt. Wie die USA hat auch die EU umfangreiche Sanktionen gegen Venezuela verhängt und verweigert Maduro bislang offiziell die Anerkennung als Präsident.

Der Vorsitzende der venezolanischen Parlamentskommission für Energie und Erdöl, Ángel Rodríguez, verlangt allerdings von den USA einen „sehr ambitionierten“ Vorschlag, wenn diese ein Abkommen über Energielieferungen abschließen wollten. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Landes seien entscheidend von den USA provoziert worden, sagte er dem russischen Rundfunksender „Sputnik“. „Wenn ich dir das Leben schwer mache, dann aber plötzlich etwas von dir brauche, dann muss ich dir schon einen weitreichenden Vorschlag machen, damit du mir entgegenkommst.“ Wenn die Sanktionen gegen Venezuela aufgehoben würden, könne sein Land bis Mitte des Jahres die Ölexporte in die USA und nach Europa wieder aufnehmen – ohne dafür die Kontakte mit Russland, China oder dem Iran einschränken zu müssen. Erdöllieferungen in die USA würden die diplomatischen und Handelsbeziehungen zu Russland nicht beeinträchtigen, betonte Rodríguez. Diese hätten sich auf militärischem, wissenschaftlichem und landwirtschaftlichem Gebiet sowie auf dem Energiesektor in den vergangenen Jahren vertieft und man sehe in Caracas keinen Grund, warum man die Beziehungen zu anderen Ländern abbrechen sollte, „seien diese Verbündete der USA oder nicht“.

Ob es tatsächlich zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Washington und Caracas kommt, scheint jedoch noch nicht sicher zu sein. Am 11. März berichtete die Tageszeitung „Nuevo Herald“, die als ein Sprachrohr der antikommunistischen Exilkubaner in Miami gilt, dass die US-Regierung ihre Annäherungsschritte vorerst gestoppt habe, nachdem Politiker beider Kongressparteien lautstarken Protest angemeldet hatten. Eine bereits unterschriftsreife Sondergenehmigung für den Erdölkonzern Chevron, seine Tätigkeit in Venezuela wieder aufzunehmen, sei zunächst zurückgezogen worden.

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"Kurswechsel Washingtons", UZ vom 18. März 2022



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