Finanzielle Unterstützung aus Katar an die Verwaltung des Gazastreifens

Kurswechsel der Hamas

Von Manfred Ziegler

Im Juli dieses Jahres wurde bekannt, dass der Golfstaat Katar 30 Millionen Dollar zur Bezahlung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes im Gazastreifen zur Verfügung stellen will. Die Hamas, die die Regierung in Gaza stellt, äußerte sich erfreut.

Die Hamas ist eine sunnitisch-islamistische Organisation, die 1987 als Zweig der Muslimbruderschaft in Palästina gegründet wurde. Sie verstand sich zugleich als Organisation des Widerstandes gegen die israelische Besatzungspolitik und wurde von Syrien und dem Iran gefördert. Noch 2009 betonte der Vorsitzende des politischen Büros der Hamas in einem Gespräch mit der FAZ die Unterstützung der Hamas durch den Iran. Das Gespräch fand in einem Vorort von Damaskus statt, das zu jener Zeit auch Maschal eine sichere Zuflucht bot.

Damals betrieb die Hamas eine schillernde Politik zwischen Moslembrüdern und Widerstand gegen die israelische Besatzungspolitik. Dann kam der „Arabische Frühling“ und der kometenhafte, wenngleich vorübergehende Aufstieg der Moslembrüder. Und Hamas stellte sich als Organisation der Moslembrüder auf die Seite des bewaffneten Kampfes gegen die syrische Regierung. Das Handelsblatt zitierte im Februar 2012 Ismail Hanijeh, einen der Führer von Hamas, mit den Worten: „Ich … grüße das heroische Volk Syriens, das nach Freiheit, Demokratie und Reform strebt.“

Als Folge versiegte die Unterstützung aus dem Iran. Mit Chalid Maschals Auszug aus Damaskus Anfang 2012 sprang Katar in die Bresche.

Die militärische und politische Organisation der Hamas, die Führung vor Ort und im Exil vertraten unterschiedliche politische Vorstellungen. Es war vor allem die politische Führung, die den Kampf der Moslembrüder gegen Syrien unterstützte. Die Kassam-Brigaden, der militärische Flügel der Hamas, stützte sich auf die militärische und finanzielle Unterstützung des Iran und Syriens und stand in Opposition zur politischen Führung.

Anfang Juli 2014 begann die israelische Armee einen Angriff auf Gaza. Am ersten Tag der Operation griff die israelische Luftwaffe etwa 50 Ziele an. Damals hieß es in einem Kommentar der syrischen Zeitung „al-Watan“ provokativ: „Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand, aber nicht mit der politischen Führung der Hamas, die syrisches Blut an den Händen hat … Soll doch die Hamas zur Hölle fahren …“

Zuwendungen aus Katar

Katar ist eines der reichsten Länder der Welt. Zugleich ist es ein Land, dessen Monarch Staatsoberhaupt und absoluter Inhaber der exekutiven und legislativen Gewalt und in dem die Scharia Hauptquelle der Gesetzgebung ist. Und das sich nebenbei als „demokratisch“ bezeichnet.

Katar verfügt über enorme Geldreserven, die es über eine Investment-Behörde in internationalen Beteiligungen anlegt. Die Behörde ist beteiligt an Barclays, Credit Suisse, Tiffany & Co., Vivendi, Volkswagen AG und vielen anderen.

Katar investiert aber nicht nur in internationale Wirtschaftsunternehmen, sondern auch in Organisationen wie Ahrar al-Sham und andere bewaffnete islamistische Organisationen. Das Emirat unterstützt diese Gruppen insbesondere auch medial mit seinem Nachrichtensender „al-Jazeera“. Seit sie die syrische Regierung zum Feind erklärt hat, wird auch die Hamas verstärkt von Katar unterstützt.

Zu Zeiten führte die Unterstützung für diese Organisationen zu Irritationen bei Investoren und Politikern. Als der Emir von Katar 2014 Deutschland besuchte, wies z. B. Claudia Roth von den Grünen darauf hin, dass kein Zweifel daran bestehen könne, dass Katar in Syrien islamistische Gruppierungen sponsere, die jetzt im Rahmen des „Islamischen Staats“ ihr Unwesen treiben. Der Emir wies solche Beschuldigungen zurück und Kanzlerin Merkel vertraute seinem Dementi.

Die Allianz

2012 waren die Moslembrüder auf dem Gipfel ihres Höhenflugs: Mohammed Mursi stand kurz vor der Präsidentschaft in Ägypten, islamistische Gruppen von Tunesien bis Syrien wurden vom Westen hofiert. Und die politische Führung der Hamas wandte sich ab von den bisherigen Unterstützern Syrien und Iran und hin zu den Golfmonarchien, insbesondere Katar. Als die Führung der Hamas Syrien verließ, war das eine strategische Entscheidung: Die Hamas positionierte sich als Organisation der Moslembrüder.

Schon Jahre zuvor hatte sich die Außenpolitik der USA auf die Förderung islamistischer Bewegungen orientiert mit dem Ziel einer „Neuordnung“ des Nahen Ostens und als Gegengewicht gegen den wachsenden Einfluss des Iran. Die Außenpolitik Katars und die Unterstützung für Hamas und andere bewaffnete islamistische Gruppen ist damit eine Politik, die in Israel und dem „Westen“ wohlgelitten ist – auch wenn nicht immer offen darüber gesprochen wird.

Die Golfstaaten, USA und Israel sind sich einig im Versuch, den Iran zu schwächen. Und so hatte Chalid Maschal nach dem Kurswechsel der Hamas und mit der Orientierung auf die Golfmonarchien keine Schwierigkeiten von Israel zu erwarten, als er Ende 2012 über Ägypten nach Gaza einreiste. Und der Vertreter Katars, Mohammad al-Emadi, hatte die Unterstützung Israels, als er 2015 Gaza besuchte und Dutzende Millionen Dollar für den Aufbau Gazas – und der Hamas brachte.

Claudia Roth hatte nur auf dem Papier recht, als sie das Offensichtliche aussprach: dass Katar in Syrien – und anderswo – islamistische, sunnitische Gruppierungen unterstützte.

Bundeskanzlerin Merkel aber hatte dem Inhalt nach recht, als sie dem Emir von Katar vertraute. Denn dessen Unterstützung für bewaffnete islamistische Gruppierungen – dient den Interessen Israels und des Westens.

Die Zuwendungen in Höhe von 30 Millionen Dollar zur Bezahlung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes im Gazastreifen dienen nicht zuletzt der Hamas. Wie weit dies die Lage in Gaza konkret ändert ist noch offen. Auch bewaffnete Konflikte mit Israel sind immer möglich, schließlich gibt es unterschiedliche Positionen zwischen der politischen und militärischen Führung. Aber mit dem Geld aus Katar und der strategischen Partnerschaft gegen den Iran sind solche Konflikte kontrollierbar.

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"Kurswechsel der Hamas", UZ vom 23. September 2016



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