Die „documenta 14“ mit satten Schulden

Kunst und Geld

Von Gretchen Kallenberg

Am letzten Sonntag schloss die „documenta 14“ in Kassel ihre Tore. Der Bücher-Parthenon, eines der auffälligsten Ausstellungsstücke, wird schon seit Tagen abgetragen. Und: Die erste „documenta“ an zwei Standorten muss womöglich auch noch Schulden abtragen, zum Ende wird offenbar, dass die Kunstausstellung nur durch eine Sieben-Millionen-Bürgschaft vor der Pleite bewahrt werden konnte. Schuld daran seien vor allem der Aufsichtsrat – und der künstlerische Leiter Adam Szymcyk, so das bürgerliche Feuilleton. Natürlich kann man Kunst nicht allein nach finanziellen Kriterien bemessen. Aber man kann auch nicht so tun, als würde Geld keine Rolle spielen. Die „documenta“ ist auch ein Wirtschaftsunternehmen, mit einem begrenzten Budget. Dieses auszureizen und jetzt mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist nicht die feine Art.

Und im gleichen Atemzug darauf hinzuweisen, dass man jetzt die Unabhängigkeit der „documenta“ vor Vereinnahmung der Politik schützen müsse, zeigt, wie angeschlagen der künstlerische Leiter Adam Szymcyk ist. Denn diese „documenta“ ist bei der veröffentlichten Kritik durchgefallen. Sie wird fast schon mit Häme überschüttet. Sie wurde bereits zur „bestgehassten documenta“ erklärt. Während die gleichen Kulturjournalisten in ihren Blättern bei der Vorstellung von Konzept und Programmatik vor Jahren sich vor Begeisterung und Zustimmung nicht halten konnten, will man davon heute nichts mehr wissen. Der frühere künstlerische Leiter der documenta Roger M. Buergel fürchtet um die Unabhängigkeit der finanziell angeschlagenen Kunstausstellung in Kassel. „Meine Angst ist, dass jetzt politischen Interventionen die Tür geöffnet ist“, sagte Buergel, der für die documenta 12 im Jahr 2007 verantwortlich war. Dass die aktuelle Ausstellung möglicherweise keinen neuen Besucherrekord aufstellt, findet Buergel nicht schlimm: Das sei eine „Orientierungsgröße für Inkompetente“. Debatten um die künstlerische Qualität der „documenta“ werde es immer geben.

Niemand möchte verantwortlich sein. Und dabei waren vor allem die Macher unverantwortlich. Ein Fehler darf aber in all dem Trubel nicht gemacht werden: Das finanzielle Debakel und die künstlerische Qualität in einen Topf zu werfen. Jetzt waschen sie ihre Hände also in Unschuld. Allen Verantwortlichen wäre klar gewesen, dass die Doppeldocumenta (Athen und Kassel) das vorhandene Budget überschreiten würde, heißt es in einer Stellungnahme des künstlerischen Teams. Das bedeutet: Auch den Machern war das klar, und trotzdem haben sie die Institution fast in die Insolvenz getrieben. Das ist in höchstem Maße unverantwortlich. Und sich jetzt mit Sätzen raus zu reden wie „es ist Zeit, das System der Wertschöpfung solcher Megaausstellungen (…) auf den Prüfstand zu stellen“, ist billig. Adam Szymcyk hat seine Idee durchgesetzt, radikal und kompromisslos. In der Stellungnahme steht, dass alle Verantwortlichen hinter dem Konzept gestanden hätten. Das künstlerische documenta-Team schlägt um sich, stellt sich aber vor die Geschäftsführerin Annette Kuhlenkampf, um sich dann zum Verteidiger einer unabhängigen Kunst aufzuschwingen. Es klingt schon fast verzweifelt, wenn Szymcyk am Ende der Stellungnahme bittet, sich mit der freien und kritischen „documenta“ solidarisch zu zeigen. „Freiheit, künstlerische oder andere Arten von Freiheit, ist etwas, das wir erhalten müssen“, heißt es. Dem kann man nicht widersprechen, aber darum geht es gar nicht. Es geht um die Frage, wie es zu einem Defizit von wahrscheinlich sieben Millionen Euro kommen konnte. Die Kunstausstellung hat sich offenbar übernommen. Was lief da schief? Und vor allem: Wer ist verantwortlich?

Annette Kulenkampff hat wiederholt auf die Mehrkosten durch zwei Standorte und deutlich mehr Performances als sonst hingewiesen. Dies sei jedoch sowohl vom Aufsichtsrat als auch vom künstlerischen Leiter, der einen Großteil der Schuld am finanziellen mittrage, nicht wirklich ernst genommen worden. Die notwendige Bürgschaft bleibt letzten Endes beim Steuerzahler hängen, denn nicht irgendein „normaler Betrieb“ ist geschädigt worden, sondern die Bürger­innen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Hessen. Und da hätte Szymcyk eigentlich ein bisschen sparsamer und bescheidener auftreten müssen. Dass die politisch Verantwortlichen sich die Chance nicht entgehen lassen werden, bei der Planung der nächsten „documenta“ für das Jahr 2022 kräftig mitzureden und eine neoliberaler Wirtschaftspolitik verpflichtete Ausstellung fordern werden, ist anzunehmen.

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"Kunst und Geld", UZ vom 22. September 2017



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