Kultursplitter

Von Herbert Becker

Wuppertaler Desaster

Vor gut vier Jahren war die Freude in Wuppertal riesengroß, dass die Koalitionäre von CDU und SPD den Bau des Internationalen Tanzzentrums Pina Bausch als eines von wenigen Kulturprojekten in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen hatten. Vier Jahre später saßen wieder CDU und SPD am Verhandlungstisch, doch diesmal wird das Bausch-Zentrum mit keinem Wort im Koalitionsvertrag erwähnt. Übernehmen will der Bund ein Drittel der Investitionskosten von 60 Millionen Euro, eine Zusage für eine Beteiligung an den Betriebskosten steht noch aus. Wie dazu die Nachricht passt, die bisherige Intendantin des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch, Adolphe Binder, mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben zu entbinden, hat wohl mit unterschiedlichen Vorstellungen zu tun, wie der Bund sein Geld angelegt sehen möchte. Der künstlerische und kommerzielle Erfolg des Tanztheaters hat offenbar bei der Entscheidung, sie zu entlassen, keine Rolle gespielt. Jetzt soll auf die Schnelle ein neuer Spielplan spätestens im September vorgestellt werden. Da das Tanztheater sowieso nur ein Drittel seiner Vorstellungen (ca. 30) in Wuppertal spielt, den Rest aber in aller Welt, stehen die Gastspieldaten und -orte schon fest, nur die gezeigten Stücke nicht. Wer diese dann verantwortet, steht in den Sternen.

Nicht nur für Kinder

Die Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger ist am 28. Juni im Alter von 81 Jahren gestorben. Die österreichische Schriftstellerin verfasste weit mehr als 100 Kinderbücher, zahlreiche davon wurden verfilmt. Von diesen Büchern seien hier nur zwei erwähnt, weil immer noch und immer wieder lesbar: „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“, eine nur leicht ins Groteske gehende Geschichte über den Alltag im Faschismus, und „Maikäfer flieg“, eine autobiografische Geschichte aus der Sicht eines Kindes über Krieg und Nachkrieg in Österreich. Die Verfilmung im Jahre 2016 ist sehenswert, so kann man sich Christine Nöstlinger als Kind vorstellen. Als eine Art Wiener Pippi Langstrumpf, neugierig, unerschrocken, altklug, mutig und offen für alles, was nicht „normal“ ist. Immer auf der Suche nach der größtmöglichen Freiheit, scheint das Mädchen den Ausnahmezustand am Ende des Krieges neben all dem Leid und Chaos auch als Chance zu begreifen. Die junge Christine freundet sich mit dem Außenseiter Cohn, dem jüdischen Koch der sowjetischen Soldaten, an. Mit kindlicher Naivität und ohne jegliche Vorurteile stürzt sich die Christl in diese Freundschaft und setzt damit ein Zeichen für Zivilcourage und Menschlichkeit, das heute aktueller nicht sein könnte.

Falscher Alarm

Besucherrekorde allenthalben: Von der immer wieder beschworenen „Klassikkrise“ kann wohl keine Rede sein. Die Statistiken des Deutschen Musik-Informationszentrums belegen, dass immerhin über 10 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahren Festivals klassischer Musik besuchen. Aber nicht nur die zeitlich begrenzten Events profitieren von steigender Nachfrage, die Abonnements der Musiktheater, seien es Oper oder Konzert, nehmen zu. Die Häuser melden eine sogenannte „Platzauslastung“ im Schnitt einer Saison von über 85 Prozent. Dass klassische Musik etwas für Besserverdienende sei, die kulturelle Rituale ihrer Macht und Herrschaft darüber ausdrücken, ist ein Vorurteil. Die in den Konzernen und Großfirmen das Sagen haben, haben klassische Musik und Musikaufführungen nicht auf ihrer To-do-Liste, nur die Verbindung von höherem Schulabschluss und Interesse für klassische Musik ist belegbar. Bekanntlich heißt aber ein Abitur oder sogar einen Hochschulabschluss zu haben noch lange nicht, dass man eine Arbeit hat, die es erlaubt, dem Interesse nachzugehen.

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"Kultursplitter", UZ vom 20. Juli 2018



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