Deutliche Worte
Seit 1977 gibt es das alljährliche Sommerspektakel „Ingeborg-Bachmann-Preis“, einen öffentlich ausgetragenen Wettbewerb von Schriftstellerinnen und Schriftstellern mit einem bisher noch nicht verlegten Text. Sie haben rund 25 Minuten Zeit vorzulesen, danach labert eine Jury, ebenfalls vor TV-Kameras. Wichtig ist also Wirkung und Effekt, kurze Texte eignen sich besser, besser nicht zu experimentell, lieber eingängig. Die Schriftstellerin Tanja Maljartschuk ist letzten Sonntag mit dem 42. Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet worden. Die aus der Ukraine stammende und in Wien lebende Autorin erhielt die mit 25 000 Euro dotierte Ehrung am Sonntag in Klagenfurt für ihren Text „Frösche im Meer“. In Erinnerung sollte die Eröffnungsrede des deutschen Schriftstellers Feridun Zaimoglu bleiben, der deutliche Worte zur politischen Lage fand: „Die Rechten verstehen sich als unbewaffnete Bürgerwehr. Sie möchten die Plätze säubern von unverträglichen Elementen in ihrer Idylle. Sie schützen ihren Besitz. Sie ertragen es nicht, dass die Niederen durch ihr Viertel streifen. Die Zähne werden ihnen vom Fluchen stumpf – sie fluchen: Man muss sie herausschaffen, man muss sie aus unserer Welt schaffen, die Herumtreiber, das arbeitsscheue Pack, das Gesindel. Jeder ist vom Glück begünstigt, jeder verdient den Wohlstand, den er hat. Wer nichts leistet, gehört ausgejätet, er gehört ausgemerzt.“ Klar und deutlich gesagt, leider zu selten.
Weiter so
Kurz vor der angekündigten Aufhebung des Ausnahmezustands sind in der Türkei mehr als 18 500 weitere Staatsbedienstete per Dekret entlassen worden. Die türkische Regierung wirft den entlassenen Staatsbediensteten Verbindungen zu „Terrororganisationen“ vor, die „gegen die nationale Sicherheit agieren“. Weiter geht die Hatz auf kritische Stimmen im Bildungsbereich und in den Medien. In dem Dekret wurde die Schließung von zwölf Verbänden – vorwiegend aus dem Bildungsbereich – sowie von drei Zeitungen und einem Fernsehsender angeordnet. Unter den nun verbotenen Zeitungen sind das in kurdischer Sprache erscheinende Blatt „Welat“ aus dem Süden des Landes und das prokurdische Blatt „Özgürlükcü Demokrasi“. Dessen Redaktion in Istanbul war bereits im März von der Polizei durchsucht worden. Angeblich soll dieses Dekret unter den Notstandsgesetzen das letzte dieser Art sein. In Kürze regiert Erdogan so autokratisch, dass er auch ohne solche Formalien die politische und ideologische Kultur nach seinem Gusto gestaltet.
Sehenswert
Polizisten, die in einer Transitzone hart gegen Geflüchtete vorgehen; eine Gesellschaft, die sich gegen Not und Armut abschottet und dabei die eigenen Werte über Bord wirft. Der Film „Volt“ spielt in einer Transitzone, in der Flüchtlinge ausharren, die nicht nach Deutschland einreisen dürfen. Das zeigt dieser Film des deutschen Regisseurs Tarek Ehlail, der an diesem Donnerstag auf Arte gezeigt wird. Als er 2015 den Film gedreht habe, habe er einen unbestimmten Ort in der nahen Zukunft zeigen wollen, sagt Ehlail im Deutschlandfunk Kultur. Den Begriff „Transitzone“ habe er als Kunstbegriff im Film etabliert. Er war für ihn damals Teil einer negativen Utopie. „Er sei überrascht, wie sehr die Realität den Film eingeholt habe, die Dimension der Verrohung und Entmenschlichung, die heute herrsche, sei eigentlich in keinem Film mehr zu beschreiben. Würde er sich noch einmal filmisch mit einer Zukunftsvision befassen, würde er gerne eine Utopie drehen. Ein positives Lösungsangebot, in dem alle Menschen gleich behandelt werden, wo es allen besser gehen könnte“, sagt Ehlail. Allerdings habe er auch noch keine Idee, wie diese Utopie konkret aussehen könnte. Schade für ihn, aber es gibt solche Ideen, man kann sie finden.