„Digitale Diät“
Einer, der sich seit vielen Jahren zu allen gesellschaftlichen Themen äußert, ist der Tausendsassa unter den Populärwissenschaftlern, Horst Opaschowski. Mit eigenem „Institut für Zukunfstforschung“, jeder Menge Bücher, Referent bei Tagungen jedweder Art, hat er sich aktuell zur behaupteten wachsenden Macht von sozialen Netzwerken gemeldet. Er fordert für junge Menschen eine „digitale Diät“ und meint, sie sollten öfter offline sein, zeitweilig aus dem Erreichbarkeits- und Beschleunigungswahn aussteigen und stattdessen echte Freundschaften pflegen. „Wir müssen beginnen, die Zeit der Menschen genauso konsequent zu beschützen wie ihre Privatsphäre.“ Wie diese Diät aussehen soll, wer sie in Gang setzt, warum dies vernünftig sei, dazu leider keine Bemerkungen. Anlass für seinen Appell waren die Bemerkungen des ehemaligen Facebook-Präsidenten und Erfinders der Musik-Tauschbörse Napster, Sean Parker. Der hatte erklärt, am Anfang aller sozialen Netzwerke habe die Frage gestanden, wie man möglichst viel Zeit der Nutzer beanspruchen könne. Die User sollten in einen Kreislauf der sozialen Bestätigung geraten, aus dem es kaum ein Entrinnen gebe. Für diese klaren, deutlichen Worte sollten wir dankbar sein, manchem mag es Augen und Ohren öffnen, aber die meisten Diäten enden mit dem bekannten JoJo-Effekt.
Preis für Nebel
Der Schriftsteller Thomas Lehr erhält den mit 25 000 Euro dotierten Bremer Literaturpreis 2018. Der Autor wird für seinen Roman „Schlafende Sonne“, in diesem Jahr im Hanser Verlag erschienen, von einer Stiftung des Bremer Senats ausgezeichnet. Was sich so manche Jury einfallen lässt, um ihre Entscheidung zu begründen, verursacht Kopfschütteln oder Lachanfälle. Lehr erhelle seine Figuren mit „großer erzählerischer Kraft und sprachlichem Wagemut“ und begleite sie durch die Katastrophenlandschaften des zwanzigsten Jahrhunderts, so aus der Begründung. Wer sich das Trumm mit 640 engbedruckten Seiten überhaupt antut, quält sich durch eine Privatsprache des Autors, durch Wortmüll, ein Panoptikum von Kuriositäten. Der Inhalt ist der Form kompromisslos untergeordnet, sodass sich bei der ersten Lektüre nur kleine Rettungsinseln des Sinns erschließen mögen. Ein Zitat mag reichen: „Große Teile des Theatre District hatten die ramponierte Unschuld einer mächtigen schlafenden Hure an der Brust eines drogensüchtigen Poeten, die vergessen hatte, sich abzuschminken.“ So what happens?
Nicht verwunderlich
Vier Frauen waren für den „Preis der Nationalgalerie“ nominiert, die Zeremonie fand im Hamburger Bahnhof in Berlin statt. Nun kritisieren die vier Künstlerinnen die Organisatoren scharf. In einem Statement beanstanden Agnieszka Polska, Sol Calero, Iman Issa und Jumana Manna, „dass in Pressemitteilungen und öffentlichen Reden statt der Inhalt unserer Arbeiten permanent unser Geschlecht und unsere Nationalitäten im Fokus waren“. In einer wirklich gleichberechtigten Welt dürfe das doch keine Rolle spielen. Die vier Künstlerinnen kritisieren auch die Vergabezeremonie: Die Gewinnerinnen wurden „erst nach zahlreichen Reden und Performances bekannt gegeben“, dadurch sei der Abend „mehr ein Feiern der Sponsoren und Institutionen“ gewesen als eine Gelegenheit, „sich mit den Künstlerinnen und ihrer Arbeit auseinanderzusetzen“. Auch dass der Preis undotiert ist, kritisieren die Künstlerinnen. „Die Logik, dass Künstler nur für Aufmerksamkeit arbeiten, trägt direkt zur Normalisierung der unregulierten Lohnstrukturen bei, die im Kunstbereich allgegenwärtig sind“, schreiben sie. Der Hintergrund dieser Kritik ist die Forderung nach einem Ausstellungshonorar, das Künstler zunehmend fordern. Denn oftmals ist es so, dass sie von Museen gebeten werden, eine Ausstellung zu gestalten, dafür aber zunächst überhaupt nichts bekommen.