Kultursplitter

Von Herbert Becker

Die nächste Posse

Das Berliner Schloss bekommt trotz Bedenken der Senatsbauverwaltung ein Dachrestaurant. „Das Restaurant ist beschlossene Sache. Es wird mitgeplant und mitgebaut“, sagte Johannes Wien, Vorstand und Sprecher der für den Bau verantwortlichen Stiftung. Er betonte, das rekonstruierte Schloss solle nach dem Willen aller Beteiligten auch ein neuer Stadtraum werden. Deshalb habe der Stiftungsrat das Dachrestaurant von Anfang an mit in die Planung aufgenommen. Nach dem Streit um das Kreuz auf der Kuppel hatte Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher jetzt auch das Dachrestaurant zur Debatte gestellt. „Hier sehe ich die Gefahr, dass die Rekonstruktion ins Disneyhafte kippt.“ Da kann man Frau Lüscher nur zustimmen, aber bis dahin hatte die Senatsverwaltung bei dem ganzen irrwitzigen Projekt nur mit dem Kopf genickt, sich jetzt noch aufzuplustern ist pure Heuchelei.

Eingemeindung

Die Kuratorin Clementine Deliss hat die Ausstellung von Werken afrikanischer Künstler auf der documenta kritisiert. Privates europäisches Kapital befeuere die Enteignung der ästhetischen Produktion Afrikas, meint die ehemalige Direktorin des Frankfurter Weltkulturen Museums. Die Präsentation in Kassel werfe die Frage auf, warum einer bunten Mischung von Kunst aus Afrika der Vorzug gegenüber kunstgeschichtlich anspruchsvollen Darstellungen einzelner Künstler gegeben werde, so Deliss weiter. Sie kritisierte zudem, dass historische Kunstwerke oft nicht nach Afrika zurückgebracht werden. Zur documenta gehört auch die Debatte über den politischen Legitimationszwang solcher Großausstellungen. Bezugspunkt sind dann die Anderen, ist das Jenseits des vornehmlich westlich-weißen, ökonomisch gesicherten Bürgertums, dem auch die Kuratoren entstammen und die allermeisten Besucher.

Sicherheitswahn

Neun Journalisten haben wegen des Entzugs der Akkreditierung für den G20-Gipfel in Hamburg eine Klage gegen das Bundespresseamt (BPA) eingereicht. Sie sind der Ansicht, dass dieser Vorgang rechtswidrig war. Auf dem G20-Gipfel im Juli hatten 32 überprüfte Journalisten kurzfristig ihre Zulassung wieder verloren. Die Namen standen auf einer Liste, die das Bundeskriminalamt an die Polizisten an den Eingängen zum Gipfel verteilt hatte. Tatsächlich entzogen wurden die Akkreditierungen neun Journalisten, darunter einem freien Mitarbeiter vom „Spiegel“ und einem fest angestellten Fotografen des „Weser Kuriers“. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte erklärt, das BPA habe die Akkreditierungen nach Hinweisen der Sicherheitsbehörden eingezogen. Anders zu handeln, wäre unverantwortlich gewesen. Stand zu befürchten, dass die Journalisten nicht ihrer Arbeit nachgehen wollten, sondern Schlimmes im Schilde führten wie z. B. kritische Fragen zu stellen oder die dummdreisten Gesichter abzulichten?

Ein schöner Verhau

Schön effizient, schön schnell, schön billig – die künftige Isar-Philharmonie atmet den Kleingeist der Provinz – und sie wird das neue Wahrzeichen einer Beton gewordenen Mutlosigkeit. Das mag aber vor allem mit einer Ahnung zusammenhängen, die da im Raum steht: Wie der Konzertsaal aussieht, wird den Münchnern egal sein. Alleine schon wegen seiner städtebaulichen Funktion. Der Freistaat entschied sich für ein ehemaliges Fabrikgelände am Münchner Ostbahnhof, am Rand der Innenstadt. Vor allem aus Gründen zeitlicher Verfügbarkeit, erklärt die Staatsregierung. Wie kann denn ein architektonisch ambitioniertes Gebäude in solcher Umgebung bestehen? Längst haben auf jener Brache private Investoren begonnen, den Ostbahnhof mit futuristisch anmutendem baulichem Ramsch zu umstellen. In Nachbarschaft eines künftigen Solitärbaus von Weltrang wuchern Start-up-Büroklötze in Playmobiloptik und knalligem Trend-Orange.

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"Kultursplitter", UZ vom 18. August 2017



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