Kultursplitter

Von Herbert Becker

Preußens Gloria

Die Garnisonkirche in Potsdam war 1968 gesprengt worden. Sie galt als Symbol des Militarismus. Angesichts des aktuellen Erstarkens rechter und faschistischer Kräfte in Deutschland und in Europa kann man sich lebhaft vorstellen, dass der Wiederaufbau des 90 Meter hohen Turmes der Garnisonkirche und in einer zweiten Bauphase des Kirchenschiffs dazu führt, dass rechte Kräfte den Bau und das Gelände für Kultveranstaltungen nutzen werden. Zum Beispiel durch den berüchtigten „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 ist der bedeutende norddeutsche Barockbau bei ihnen beliebt, damals trafen sich Reichskanzler Adolf Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg an den Grabstätten der beiden preußischen Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. von Preussen, „der Große“. Die Begegnung verschaffte Hitler große Unterstützung im nationalen Lager. Das Gotteshaus wurde 1945 durch Bomben zerstört und später wurden die Ruinen weggeräumt. Die jetzigen Pläne finden Unterstützung in konservativen Kreisen, die auch fleißig Geld sammeln.

Preußens Glanz

Das künftige Humboldt-Forum im rekonstruierten Berliner Schloss hat seine Tore zur Baustellenbesichtigung geöffnet. Am ersten Tag konnten 7 500 Spender und Förderer einen Blick hinter die Kulissen werfen. Blickfang wird das historische Eosanderportal mit seinen großen Bögen vor der lichtdurchfluteten Eingangshalle. Der 30 Meter hohe Raum verbindet historische und zeitgenössische Fassadengestaltung. An der Nordfassade ist heute schon ein Teil des hellgelben barocken Lustgartens zu sehen. Johann Eosander von Göthe war der Schlossbaumeister und mit einem Hang zum Monumentalen verdoppelte er das Schloss mit einem Erweiterungsbau nach Westen. Dessen Mittelpunkt soll das Eosanderportal werden, das von einer über 100 Meter hohen Turmkuppel gekrönt werden sollte. Er kann sein Werk nicht vollenden, er wird wegen seiner Verschwendungssucht mit Schimpf und Schande davongejagt. Die heute Verantwortlichen – der Bund, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Humboldt-Universität und das Land Berlin – werden dieses Schicksal nicht erleiden, sie sichern sich durch Beschlüsse und Verträge davor, für ihre erneute Prunksucht irgendwann einmal belangt zu werden.

Demontage

Seit vorletzten Sonntag ist er weg, der Schriftzug „OST“ auf dem Dach der Berliner Volksbühne. Damit verschwindet eine Woche vor dem Ende der Ära des Intendanten Frank Castorf ein weit sichtbares Wahrzeichen. Die Demontage soll während der letzten Vorstellung von „Die Brüder Karamasow“ stattfinden, wie das Theater per Twitter wissen ließ. Vor einiger Zeit war mitgeteilt worden, dass auch die bekannte Rad-Skulptur auf dem Platz vor dem Theater abgebaut wird. Die Idee für das Speichenrad mit den Beinen stammte vom damaligen Bühnenbildner Bert Neumann, der das Rad zum Logo für die Volksbühne machte. Die Spielzeit und die 25 Jahre dauernde Intendanz von Frank Castorf ging mit einem Straßenfest zu Ende. Neuer Leiter des Theaters wird der Belgier Chris Dercon. Er war zuletzt Direktor des Londoner Museums Tate Modern und hat bisher keine Erfahrungen mit der Theaterarbeit. Seine Pläne stoßen auf jede Menge Kritik bis Ablehnung, aber Kultursenator Lederer hält zu ihm. Dercon will das Theater für Events öffnen, weg vom Ensemble, weg von der Spielstätte. Lieber startet er auf dem Flughafen Tempelhof, plant Performance-Abende, da werden am laufenden Band neue Formate erfunden und natürlich „vernetzt“, dem Stadtgefühl der „jungen, dynamischen und erfolglosen“ Kreativen nebst Anhang soll das Theater entgegenkommen. Decron denkt in Formaten wie Netflix-Serien und wundert sich, dass Theaterautoren nicht mitspielen wollen.

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"Kultursplitter", UZ vom 30. Juni 2017



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