Intendantenstreit
Das „Volkstheater Rostock“, von der Stadt verantwortet, ist noch eines der klassischen „Vierspartenhäuser“, d. h. Schauspiel, Musiktheater, Konzert und Ballett werden am gleichen Ort und im Rahmen eines Gesamtprogramms angeboten. 2014 trat Sewan Latchinian als neuer Intendant seine Position an mit der selbstgestellten Forderung, das angeschlagene Flaggschiff der Hansestadt wieder flott zu machen. Latchinian hatte sich als kreativer Regisseur an vielen Theatern in der Republik einen gelobten Namen gemacht, man konnte ihm für die fünf Jahre Vertragslaufzeit nur eine glückliche Hand wünschen.
Dann kamen die Kommunalpolitiker, die gerne wenig qualifiziert, aber mit dem gefürchteten „gesunden Menschenverstand“ argumentieren, und verlangten den Tritt auf die Sparbremse. Und natürlich kamen die Jonglierbälle ins Spiel: Theater oder Schwimmbad, Stadtbücherei oder Kita-Plätze, Jugendzentrum oder Betreutes Wohnen. Vom Intendanten verlangte man die Reduzierung der Sparten auf nur noch zwei und einen massiven Abbau von künstlerischem und technischem Personal, ins Gespräch gebracht wurde ein Neubau des Theaters mit der schönen Aussicht auf jahrelanges Provisorium und der dann klassischen Beweisführung, dass weniger mehr ist.
Latchinian wehrte sich, gerne und laut in den Medien und der städtischen Öffentlichkeit, sehr gründlich und deutlich Anfang Juni 2016 in einem Interview der „jungen welt“. Das brachte die Ratsherren dann so richtig auf ihre mickrige Palme und er erhielt die fristlose Kündigung. Dann der übliche Verlauf bis zur arbeitsgerichtlichen Entscheidung, dass sein Vertrag weiter gültig sei. Dennoch will die Stadt ihn loswerden und hat Widerspruch eingelegt, zur Zeit Ende offen.
Abflauender Hype
Mitte der 2000 Jahre stiegen die großen Medienkonzerne mit Getöse und hohen Investitionssummen in das E-Book-Geschäft ein, bis dahin ein Nischenmarkt mit Anteilen am Gesamtumsatz im Promillebereich. Bertelsmann, gemeinsam mit Penguin Books, war sehr aktiv bei der digitalisierten Aufbereitung für elektronische Lesegeräte besonders bei Fachmedien und Wissenschaftsliteratur. Die Krake Amazon ging den Weg, populäre Literatur zu digitalisieren und legte sehr schnell mit dem eigens entworfenen „Kindle“ einen fulminanten Start hin. Nach erster Schockstarre berappelten sich Verlage und Buchhandelsketten wie Thalia, Hugendubel und Weltbild, fanden in der Deutschen Telekom den Technologiepartner und konterten mit der Marke „Tolino“.
Wenn ein Markt aus den Promillezahlen stetig wächst auf 2, 3, ja sogar 4 Prozent Anteil am Umsatz mit Büchern flippen einige schon aus und extrapolieren solche Zahlen himmelwärts. Vom Ende der Buchkultur war schon die Rede. Und nun die Ernüchterung: Die Zahlen stagnieren, der Anteil kriecht und kraucht bei gerade mal 4,5 Prozent, selbst die bescheidenen Steigerungen werden mit hohen Rabatten erkauft.
Nun zieht die Deutsche Telekom die Reißleine und verkauft ihren Anteil, also besonders die Technologieplattform „Tolino“, an einen japanisch-kanadischen Medienkonzern mit Namen „Rakuten-Kobo“. Die Mitspieler wie Thalia und Hugendubel schwächeln, Weltbild ist dank Insolvenz nur noch Geschichte und der neue Player denkt sicherlich eher an amerikanische und asiatische Märkte. Ein Ende dieser Zusammenarbeit ist nicht mehr undenkbar.
Die so genannten E-Books und ihre Lesegeräte leiden unter einem zweifachen Nutzenverlust, für die Konsumenten, die sich schnell, kurz und knapp informieren wollen, geben die modernen Smartphones, Tablets und andere Spielzeuge genug her, für diese „Leser“ braucht es kein zusätzliches Gerät. Und für jene, für die Kulturtechnik „Lesen“ zum Alltag zählt, scheint das haptische Vergnügen, ein Buch in Händen zu halten und die erlernte Fähigkeit, durch das Lesen die Abenteuer im Kopf zu erleben, weiterhin wichtig genug zu sein.