Ressortübergreifend
Der neue rot-rot-grüne Senat in Berlin hat seinen Koalitionsvertrag vorgestellt. Ganze zehn der insgesamt 180 Seiten sind unter der hochtrabenden Überschrift „Kultur- und Medienmetropole Berlin“ der Kulturpolitik gewidmet, also einem der wenigen Politikbereiche, in denen ein Bundesland eigenständig und verantwortlich handeln kann (wenn es denn will).
Es fällt auf, dass es nicht eine einzige Zahl, nicht eine einzige Größenordnung in diesem Text gibt, die hinweisen könnte auf Schwerpunkte, Gewichtungen, Qualitätsvorstellungen. Vielmehr findet man einige entlarvende Aussagen und Absichten, die eher Anlass zu Empörung geben darüber, wie besonders linke PolitikerInnen dem „Für-dumm-Verkaufen“ zustimmen.
Da ist im Vertrag von „ressortübergreifender Kulturpolitik“ die Rede, soll heißen, alle, aber auch alle anderen Senatsverwaltungen sollen ihren Senf dazugeben, Maßnahmen und Vorhaben stehen unter der Kuratel nicht nur des Finanz-, sondern auch des Innen- und des Wirtschaftssenators und natürlich der Staatskanzlei. Noch besser heißt es im Vertrag, „die Strategien über Planungsgrundlagen zu verbessern, d. h. zusätzlich zu bisherigen Verfahren sollen Nichtnutzer-Befragungen für eventuelle Ziele der Förderung Grundlage von Entscheidungen sein“. Wenn man z. B. Programmkinos fördern will, fragt man auch die, die damit nichts am Hut haben, wenn ein selbstverwaltetes Jugendzentrum Fördergelder braucht, fragt man wiederum die, für die so was eh viel zu laut und chaotisch ist.
Mit solchen „Nichtnutzer-Befragungen“ bekommt die Kulturverwaltung dann sicherlich die Planungs- und Fördergrundlagen, die der neue Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) haben möchte.
„Postfaktisch“
Die „Gesellschaft für deutsche Sprache“, die man nicht verwechseln sollte mit der ehrwürdigen „Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung“, hat wieder ihr Wort des Jahres bekanntgegeben. Sie meint, das Wort „postfaktisch“ steche durch seine Popularität und Signifikanz hervor und habe den öffentlichen Diskurs des Jahres wesentlich geprägt.
Im herrschenden Sprachverständnis meint man mit diesem Wort, dass nicht Fakten oder auch Tatsachen die gesellschaftliche Debatte bestimmen, sondern Vermutungen, Gefühle, Unterstellungen bis hin zu Verschwörungstheorien Platz gefunden haben.
Und im weiteren Verlauf der Diskussion in den Medien und Talkshows werden dann all die in die Ecke gestellt, die mit ihrer Wut, ihrer Verzweiflung ihrer Abneigung gegenüber den ach so gültigen, gesicherten Fakten nicht klarkommen. Die Fakten sind schließlich „alternativlos“ und Fragen nach ihrer Herkunft, den dahinter stehenden Interessen oder den in ihnen steckenden Widersprüchen sollen nicht gestellt werden. Man muss nicht Churchill und sein Bonmot zitieren „Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“, viel gründlicher hat der immer wieder lesenswerte Hegel den Punkt getroffen: „Wenn die Tatsachen nicht mit der Theorie übereinstimmen – umso schlimmer für die Tatsachen“. Die Frage, was von einer Tatsache zu halten ist, kann nur beantwortet werden mit der Bejahung oder Verneinung, ob sie vernünftig ist.
„Desierto“ – ein Grenzdrama
Das mexikanisch-französische Grenzdrama „Desierto“ (Wüste) hat das 38. Filmfestival in Havanna gewonnen. Die Jury zeichnete den an der US-mexikanischen Grenze spielenden Film (deutsch: „Tödliche Hetzjagd“) des Mexikaners Jonás Cuarón für sein „tiefes Nachdenken über Migration als kontinentales Phänomen“ aus. Die Handlung schildert die tödliche Jagd eines selbsternannten US-Grenzwächters auf illegale Einwanderer. Der Film mit Star Gael García Bernal aus Mexiko hatte 2015 Premiere beim Filmfestival in Toronto gefeiert und startet jetzt in einigen Kinos.