Rasse und Rassismus
Endlich beginnt auch im bürgerlichen Lager der Republik eine Debatte darüber, dass der Begriff „Rasse“ wissenschaftlich nicht haltbar ist, wenn es um Beschreibungen und Zuordnungen von Menschen geht. Für dieses Rauschen im Blätterwald waren die Morde durch Polizisten in den USA und die anhaltenden Proteste der erzwungene Anlass. Debattiert wird über eine Änderung von Artikel 3 des Grundgesetzes, in dem von „Benachteiligung“ die Rede ist, in der Aufzählung taucht der Begriff „Rasse“ auf. Jetzt will man eine Quadratur des Kreises schaffen, das Wort „Rasse“ wie auch immer ersetzen, den Rassismus aber wie auch immer unterbringen. Die einschlägigen Grundgesetzkommentare, zumindest mitverfasst von Juristen, die im deutschen Faschismus bereits tätig waren, helfen in dieser Scheindebatte nicht weiter. Die unerwünschte Benachteiligung soll wohl im Text bleiben, die tatsächliche Diskriminierung und Ausgrenzung wird nicht thematisiert. Die ökonomische und soziale Situation vieler Menschen im Lande ist geprägt und wird auch ständig geschürt („der faule Grieche“ oder „der virenschleudernde Asiat“), um die Kräfteverhältnisse im falschen Licht erscheinen zu lassen.
Geht es jetzt los?
Die Konzertkalender füllen sich langsam wieder. Die Deutsche Oper Berlin führt das Wagner-Spektakel „Rheingold“ live auf ihrem Parkdeck vor. In einer schwer abgespeckten Version, mit viel Abstand zwischen den Sängerinnen und Sängern, mit seltsamen Posen, wenn eigentlich ganz viel Nähe angebracht wäre. Aber dennoch große Erleichterung bei den Verantwortlichen, die Karten – Schutzgebühr fünf Euro, Spenden erbeten – waren innerhalb weniger Minuten vergriffen. Zuvor schon hatte das Schauspiel Bochum unter der Regie von Johan Simons „Die Befristeten“ von Elias Canetti auf die Bühne gebracht. Ein Stück wie gemacht für die eigentlich absurde Situation. Ein in Beckett-Manier sich wiederholender Dialog weckt Erinnerungen an die bleierne Zeit der Ausgangsbeschränkungen: „Was tun wir heute? Dasselbe denk ich, immer dasselbe.Und das wäre? Nichts. Ja. Nichts. Es ist immer nichts.“ Schon komisch, in Bussen und Bahnen darf sich wieder „geknubbelt“ werden, Flugzeuge sind wieder rappelvoll, Einkaufen geht man in gewohnter Enge. Aber müssen Theater, Konzerte und Kinos tatsächlich jede zweite Reihe freilassen und die Zuschauer noch zusätzlich auf weiten Abstand setzen?
Kahlschlag
Eine besondere Liebe zur brasilianischen Kultur hat der faschistische Präsident Jair Bolsonaro nie gezeigt. Nach seinem Amtsantritt zerschlug er das Kulturministerium. Heute gibt es noch eine Abteilung Kultur im Tourismusministerium, die von einem Staatssekretär geleitet wird. Mittlerweile ist vielen brasilianischen Filmschaffenden das Lachen vergangen. Unter Bolsonaro wurde die staatliche Filmförderung für 2020 um fast die Hälfte gekürzt und der Präsident forderte einen „weltanschaulichen Filter“ für die Filmproduktion: Statt „Pornografie“ – wie er alles nennt, was ihm missfällt – sollen im Film „nationale Helden“ dargestellt werden. In welche Richtung die weltanschauliche Neuorientierung des brasilianischen Films ging, wurde deutlich, als er im Februar an die Spitze des staatlichen Filminstituts Ancine einen evangelikalen Prediger und Fernsehmoderator setzte. Auf der diesjährigen Berlinale waren noch 19 Filme aus Brasilien im Programm, die meisten der dort gezeigten Filme wurden zwischen 2015 und 2017 in Angriff genommen, als es noch Möglichkeiten gab, Drehbücher und Filmprojekte durch Ausschreibungen und Zusagen zu realisieren. Alles mittlerweile nicht mehr möglich.