Kultursplitter

Nicht durchdacht

Die Soforthilfen für freie Künstlerinnen und Künstler unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland erheblich. Während in Berlin recht unkompliziert ausgezahlt wird, sorgen sich Betroffene in Hessen oder Sachsen um ihre Zukunft. Es gibt aus Nordrhein-Westfalen erste Meldungen, dass tatsächlich schon echte Euros auf dem Konto angekommen sind und dass es vergleichsweise schnell zu gehen scheint. Auch in Berlin sind bereits über 1,4 Milliarden Euro an Freie aller Sparten ausgezahlt worden. Zwei Milliarden aus Bundesmitteln werden bald folgen.

In Hessen sieht es leider anders aus: Die angebotenen Finanzhilfen führen zu dem Problem, dass wichtige Einnahmeverluste dort nicht geltend gemacht werden können. Es ist ja so, dass vor allem Betriebsausgaben dort eingereicht werden können. Aber das größte Problem sind ja Einnahmeausfälle, die sie haben: weil Zuschauereinnahmen fehlen, Gastspiele abgesagt wurden, Auftritte abgesagt wurden. Das ist das Geld, das eigentlich fehlt, und die entstandenen Verluste können leider nicht geltend gemacht werden. Und viele Solokünstler oder kleine Künstlergruppen wie eine Freie Theatergruppe oder ein Kammerspielquartett oder eine Musikgruppe haben kaum Betriebsausgaben, sie proben oft in Privaträumen oder mieten gezielt vor einem neuen Programm einen Raum, betriebliche Kosten sind da weniger das Problem, sondern tatsächlich die fehlenden Gagen und Einnahmen.

Immerhin

Beim Amt für Kultur und Denkmalschutz der Stadt Dresden können Künstlerinnen und Künstler unter dem Hashtag #stayathomeandbecreative eigene Clips ihrer kreativen Arbeit zu Hause hochladen, die dann auf den Social-Media-Kanälen von Dresden gezeigt und natürlich auch honoriert werden. Auch die Stadt Heidelberg geht mit ihrem Programm „Solo Fantastico“ einen ähnlichen Weg. Es gibt bestimmt noch mehr guter, kleiner Ideen in einzelnen Kommunen und Regionen, aber das sind natürlich keine grundsätzlich wirkungsvollen Maßnahmen, die den „Artisten in der Zirkuskuppel“ nicht mehr länger ratlos machen. Es muss die politische Konsequenz sein, zu fordern: Man muss Kultur längerfristig fördern, weil man genau sieht, wie extrem anfällig ein System für Krisen wird. Es müssen Förderungen gestaltet werden, die nicht immer sofort eine Produktion, ein Endergebnis haben müssen, die mittelfristiger ausgelegt sind.

Verzweifelt

„Bild“, das Revolverblatt des Axel-Springer-Konzerns, hat für sein lineares Livestream-Angebot „Bild Digital Live TV“ die ersehnte Rundfunklizenz bekommen. Man hatte sich im Konzern lange Zeit gelassen, Marktanteile verloren und versucht nun, wieder Anschluss zu bekommen. Ein wirkliches „Schmuckstück“, besser gesagt Schmutzstück ist das Format „Hier spricht das Volk“, moderiert vom unsäglichen Chefredakteur Julian Reichelt. Sehr plakativ und dummdreist versucht der Mann fürs Grobe, mit den klassischen „Bild“-Schlagzeilen Stimmung zu machen. Beispiel Klimadebatte: Nach Reichelt seien die Deutschen doch die Dummen, weil sie versuchten, alles Mögliche zu tun oder zu unterlassen, während die ganze Welt über sie lachte. Seit 2014 agiert das Unternehmen als eine Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea/SE), im letzten Sommer begann dann der Verkauf der Anteile an eine US-amerikanische Heuschrecke. Diese plant, das Medien­unternehmen „umzustrukturieren“ und nach einigen Jahren seine Anteile gewinnbringend wieder zu verkaufen. Für den Konzern ist wichtig, dass mehr als 6 Milliarden Euro durch die Übernahme an liquiden Mitteln in die Kasse flossen, um sich überhaupt noch am Markt zu behaupten und um sich solche Allüren wie die des Herrn Reichelt leisten zu können.

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"Kultursplitter", UZ vom 10. April 2020



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