Kultursplitter

Kleine Hilfen
Die Freundin aller in der Kulturwirtschaft Tätigen, die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), gibt alles, um möglichst alle Kunst- und Kulturschaffenden trotz finanzieller Einbußen durch die Coronakrise zu bringen. Dabei macht sie keinen Unterschied, ob Konzerte von Helene Fischer ausfallen oder geplante Veranstaltungen zum Beispiel von Erich Schaffner. Vorsichtige Schätzungen sprechen von mindestens 80.000 ausgefallenen Veranstaltungen, dadurch entstehen Verluste für Künstler und Veranstalter von mehr als 1,25 Milliarden Euro. Frau Grütters kommt mit einem Hilfspaket von 50 Milliarden Euro um die Ecke für Kleinunternehmer bis zu zehn Beschäftigten und sogenannte Solo-Selbstständige im Kultur-, Medien- und Kreativbereich. In diesen Branchen arbeiten mehr als 1,2 Millionen Menschen, die meisten dürften nun Hartz IV beantragen, mit einigen Großzügigkeiten, was „Vermögen“ und Wohnungsgröße angeht. Die Kleinunternehmen können eine sagenhafte Einmalzahlung von 15.000 Euro für die nächsten drei Monate beantragen, das heißt für die Angestellten Kurzarbeit und vielleicht eine kleine Aufstockung durch den Betrieb nach Gutdünken.

ARD-Alpha
Schon interessant, man schaut sich ja – wenn nicht Kinder oder Enkelkinder mit ihren Schulbüchern in der Nähe sitzen – die aktuellen Lehr- und Lernmaterialien nicht mehr an. Jetzt hat man viel Zeit und wird aufmerksam auf das Angebot von „ARD-Alpha“, einem Spartenprogramm, für das der Bayerische Rundfunk verantwortlich ist. Zwei Schulfächer als Beispiele: Im Fach Geschichte ist weder im Stoff für die Unter- und Mittelstufe noch für die Oberstufe der Zeitraum 1933 bis 1945 vorgesehen, lang und breit werden das Kaiserreich und die Weimarer Republik vorgestellt, dann geht es ohne Halt weiter mit „Deutschland nach 1945“. Das Totalitarismustheorem wird als feststehender, wissenschaftlich abgesicherter Begriff genutzt, um die wundersame Entwicklung in der Alt-Bundesrepublik einschließlich der „europäischen Einigung“ zu erzählen und gleichzeitig die kommunistische Diktatur der gebeutelten Menschen in der DDR mit viel Horror zu geißeln.

Zweites Beispiel: In der Oberstufe werden Schülerinnen und Schüler mit dem Thema „Volkswirtschaft“ bekannt gemacht. Ohne viel Federlesens wird hier in schönen, plastischen Bildern und Sprüchen die gesamte Klaviatur des „Neoliberalismus“ als anscheinend einzige Möglichkeit einer Gesellschaft dargestellt. Der Ausflug in die „Soziale Marktwirtschaft“ wird kurz abgehandelt, scheint ja nicht so recht funktioniert zu haben, deshalb das Hohelied auf den „Markt“ mit seinen klugen Akteuren in Konzernen und Börsen, die ständig alles richten.

Stoizismus
In diesen Tagen und Wochen verlangen die Umstände des alltäglich noch Machbaren von jedem Einzelnen eine Haltung, die oftmals nicht eingeübt, nicht erprobt ist. Fröhliche Urständ feiern nun die Freundinnen und Freunde der Stoa, einer lebensphilosophischen Denkrichtung der Antike. Gepriesen werden Gelassenheit und Gleichmut, so eine Art Schulterzucken. Auf den hinteren Seiten der Zeitungen, in Talk­runden und Radiosendungen kommen neben den Medizinern und Politikern jetzt die Lehrstuhlinhaber für Ethik und Moral zu Wort. Dabei hört und liest man viel von dem, was die alten Stoiker vorschlugen: Wichtig sei die Fähigkeit, zu erkennen, was wir beeinflussen oder ändern können, und was außerhalb unserer Macht liegt, und damit sollen wir uns dann nicht befassen. Die Schlussfolgerung: es werden sehr bescheidene Vorschläge gemacht, denn die Umstände binden uns die Hände, aber der Kopf, der es uns erlaubt, selbstständig denken zu können, macht wohl nur unruhig.

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"Kultursplitter", UZ vom 27. März 2020



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