Digitale Lösung?
Die Coronavirus-Pandemie treibt auf eine Entwicklung in der ganzen Kulturwirtschaft zu, die erhebliche Auswirkungen haben wird auf die Art und Weise, wie Künstler und die Verwerter von Kunst arbeiten müssen. Die Rede ist von der sogenannten „Digitalisierung“, sei es in Museen, in Theaterhäusern, in allen Formen, Musik aufzuführen, in der Präsentation von Büchern. Der Widerstand gegen diese Entwicklung war immer groß, das individuelle und dabei doch kollektive Erlebnis einer Theateraufführung, eines Museumsbesuchs, eines Konzerts wurde und wird von vielen Künstlern für ein wesentliches Element gehalten. Nun müssen, bedingt durch die Einschränkungen oder sogar Schließungen, neue Wege gesucht und gefunden werden. Opernpremieren vor leeren Sitzreihen, aber digital verfügbar, Ausstellungen, die digital aufbereitet werden – gleich mit Kommentaren –, die via Bildschirm zu Hause gesehen werden können. Bei Konzerten, egal ob aktuell beim Beethoven-Fest in Bonn oder beim Popkonzert von Helene Fischer, wird probiert, wie eine digitale „Aufführung“ bei den daheimgebliebenen Besuchern ankommt. Das Publikum splittert sich auf in viele einsame Nutzer vor den Geräten, die Wahrnehmung ist eine andere, die notwendige Kommunikation über das Gesehene, Gehörte, Gelesene schränkt sich ein oder gerät in den Wildwuchs der Twittermeinungen.
Szenario
Bereits jetzt werden die Ausfälle durch die politischen Entscheidungen drastische Folgen für zum Beispiel die Theater- und Opernhäuser in Deutschland haben. Zwischen 10 und 40 Prozent ihres Budgets bestreiten die Häuser durch den Kartenverkauf. Gerade große und erfolgreiche Häuser wie die Bayerische Staatsoper liegen bei 40 Prozent. Das meiste Geld im Etat ist fest gebunden für Personal- und Verwaltungskosten. Ohne Ausgleichszahlungen können die Häuser eigentlich keine Neuproduktionen mehr machen, keine Gäste mehr engagieren. Da die Schließungen durch staatliche Stellen verfügt wurden, müssen die Ausfälle auch von diesen ausgeglichen werden. Wenn nicht, ist das Ende vom Lied, dass die Theater den Spielbetrieb einstellen. Die Debatte über den Abbau von Kultureinrichtungen wird erneut voll eröffnet. Ein Szenario, das auf alle zukommen wird: Das sogenannte „Ensemble-Theater“ wird zurückgefahren, feste Verträge über eine Spielzeit hinaus werden seltener. Ein stabiles, durch viele Proben und Aufführungen eingespieltes Orchester an städtischen Bühnen wird in Frage gestellt, Künstler müssen sich darauf einstellen, sich von einem Gastspielvertrag zum nächsten durch die Saison zu hangeln.
Menetekel
Alle zehn Jahre nutzt die kleine bayerische Gemeinde Oberammergau die mediale Aufmerksamkeit, ihr „Passionsspiel“ aufzuführen. Der Ursprung der Passion geht auf eine Epidemie zurück: Vor fast 400 Jahren wütete die Pest im Land.1633 gelobten die Oberammergauer, alle zehn Jahre das Spiel vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Christi aufzuführen, wenn niemand mehr an der Pest sterben sollte. Nun steht alles in Frage. Rund 2.400 Männer, Frauen und Kinder aus Oberammergau sind an den Spielen beteiligt, etwa die Hälfte der Einwohner, derzeit laufen die Proben nur „sehr reduziert“, ist auf der Website der Passionsspiele zu lesen. Die Premiere am 16. Mai und die Vorstellungen sind bisher noch nicht abgesagt. Ob man auf Gottes Hilfe hofft? Wir hoffen, dass die zwar von Antisemitismus „gereinigte“ Fassung des christlichen Spektakels nicht aufgeführt wird, soll sich die Gemeinde doch von der allerchristlichsten Staatsregierung den Ausfall bezahlen lassen.