Kultursplitter

Kluge Frau
Vor 30 Jahren erschien in den USA „Gender Trouble“ von Judith Butler – ein Buch, das die Geschlechterforschung bis heute prägt und sogar Widerhall am Stammtisch findet. Das Für und Wider des Gender-Sternchens kommt mit schöner Regelmäßigkeit in die Debatten. Aber wie lässt sich die Wirkung dieses Buches erklären? Eine Erklärung findet man möglicherweise darin, dass der Gender-Begriff in eine weitverbreitete populistische Logik passt, die eine vermeintliche „Normalbevölkerung“ einer angeblich abgehobenen, weltfremden Elite gegenüberstellt. Der Gender-Begriff wird dabei genutzt, um die Behauptung zu stützen, wer damit argumentiere, der liefere eine intellektuelle, akademische, überalimentierte Spinnerei, diese sei total abgelöst von den Problemen „echter Menschen“. Dabei wird so getan, als bringe das Reden und das Denken in Gender-Kategorien eine Art künstliche Komplexität in eine ansonsten von Natur aus schon moralisch richtige Welt hinein. Und wer mit Gender operiert, tut dieser gegebenen Ordnung Gewalt an.

In Ungarn hat die rechtskonservative Regierung die Gender-Forschung aus den Unis verbannt, der polnische Bischof Marek Jedraszewski bezeichnete Gender als „große Bedrohung für unsere Freiheit“ und „noch schlimmer als der Kommunismus“, der spanische Politiker Francisco Serrano von der rechtsextremen Partei Vox sprach gar von „Gender-Dschihadismus“. Judith Butler ist unermüdlich unterwegs, so vor kurzem auch in Berlin, um gegen diese Angriffe zu argumentieren.

Kämpferische Frau
Vor 30 Jahren, am 9. März 1990, starb Georgia Gilmore, eine schwarze Bürgerrechtlerin, die zu den Zeiten der großen Predigten eines Martin Luther King aktiv wurde. Sie war eine Cafeteria-Köchin, Hebamme und alleinerziehende Mutter von sechs Kindern. Mit dem alltäglichen Rassismus hatte sie ihre persönlichen Erfahrungen zur Genüge gemacht: Ein weißer Busfahrer hatte das Geld für einen Fahrschein zwar angenommen, sie aber nicht befördert, weil sie nicht die Bustür für Farbige genommen hatte. Er stieß sie daraufhin aus dem Bus. Georgia Gilmore fiel zu Boden und der Bus fuhr einfach weg.

Um die Kosten der Bewegung gegen die Diskriminierung zu tragen, hatte sie eine geniale Idee: Gilmore organisierte ein geheimes Netzwerk farbiger Frauen, die Pfannkuchen, Süßkartoffelkuchen und Teller mit gebratenem Fisch und gedünstetem Gemüse von Tür zu Tür verkauften. Die Frauengruppe, die sich „Gilmore’s Club“ nannte, nahm Woche für Woche zwischen 125 und 200 Dollar ein (das wären heute 1.100 bis 1.800 Dollar). Mit dem Erlös aus den Essensverkäufen wollte die Gruppe helfen bei der Bezahlung des Benzins, der Versicherung und der Reparaturen, die das alternative Transportsystem der Bürgerrechtsbewegung brauchte. Gilmore war eine große, mutige Frau, die für den Rest ihres Lebens in der Bürgerrechtsbewegung blieb.

Linker Feminismus
Die lesenswerte, aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Wir Frauen – Das feministische Blatt“ beschäftigt sich mit den Themen „Frauenstreik“ als eine neue besondere Form politischer Kämpfe und der viel zu kurz gegriffenen Forderung nach einer „Frauenquote“. Die Autorinnen machen deutlich, dass, so wie die Herrschenden mit den Forderungen umgehen, dagegen nicht nur argumentiert werden muss, denn an den Verhältnissen soll sich möglichst nichts ändern; die ökonomische und soziale Lage der Frauen wird weiter zementiert. Die Kämpfe müssen weitergehen und bestimmt intensiviert werden. Die Zeitschrift kann bezogen werden über wirfrauen.de, ein Jahresabo (4 Hefte) kostet 16,-Euro.Herbert Becker

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"Kultursplitter", UZ vom 6. März 2020



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