Kultursplitter

Glückauf
Es hat ein paar Jahre gedauert, aber nun konnte in Dortmund das „Vokalmusikzentrum NRW“ seine Arbeit aufnehmen. Hier soll die ganze Bandbreite des Chorgesangs dargestellt, durch Aufführungen, Probezeiten und Unterricht vielen Gruppen bessere Bedingungen geboten werden. Das Zentrum bietet mit dem Reinoldisaal, vier Seminar- und Proberäumen eine Veranstaltungsstätte für Konzerte, Workshops, Seminare, Konferenzen, Proben und Symposien. Das Eröffnungs-Programm zeigte, wie man sich die Zukunft vorstellt: Es gab Chormusik aus dem 19. Jahrhundert bis heute, von Klassik bis Pop, nicht nur Musik aus Europa, sondern auch aus Afrika und Amerika. Der Jugendkonzertchor der Chorakademie Dortmund, die Gemischten Stimmen „Biggesang“, die „Women of Wuppertal“ und das „Ensemble Orpheus XXI NRW“ standen auf der Bühne. Die Finanzierung ist zwar gesichert, aber nur für eine absehbar kurze Zeit, bei dem formulierten Anspruch wäre eine langfristige Sicherung dringend notwendig.

Unsicherheit
Der Prozess gegen die deutsche Journalistin Mesale Tolu in der Türkei ist auf den 14. Juli vertagt worden. Zur Begründung ließ die Staatsanwaltschaft mitteilen, sie benötige mehr Zeit, um die Verkündung ihrer Strafmaß-Forderung vorzubereiten. Der aus Ulm stammenden Journalistin werden die üblichen Vorwürfe gemacht, also „Terrorpropaganda“ und „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“. Tolu war Ende April 2017 in Istanbul festgenommen worden und anschließend mehr als sieben Monate in Haft. Der Prozess gegen sie begann im Oktober 2017 ohne ein Urteil, rund zwei Monate später wurde die Journalistin unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Im August 2018 durfte sie nach Aufhebung der Ausreisesperre in ihre Heimat Deutschland zurückkehren. Das dreckige Spiel der türkischen Justiz, wenn sie denn spurt, geht weiter. Sind Richterinnen und Richter mal zu keinem, dem Erdogan-Regime genehmen, Urteilsspruch zu „bewegen“, wird der nächste Haftbefehl herbeigezaubert, so im aktuellen Fall des Schriftstellers Osman Kavala.

Sehenswert
Wie funktioniert unsere Wirtschaft? Wie entsteht Geld? Welches Verhältnis besteht zwischen Vermögen und Verschuldung? Mit diesen Fragen ist die Filmemacherin Carmen Losmann losgezogen und hat sie den Verantwortlichen im Finanzsystem gestellt. Dabei herausgekommen ist die Dokumentation „Oeconomia“, die auf der Berlinale ihre Premiere hatte. Losmann wurde bekannt mit ihrem Film „Work Hard, Play Hard“ aus dem Jahr 2012, der sich mit dem Wandel in der Arbeitswelt beschäftigt. „Übriggeblieben von dem Film ist eine Frage, die ich mir gestellt habe: Wieso müssen Unternehmen eigentlich kontinuierlich wachsen und Profite generieren? Für mich wurde daraus die Frage: Wie hängt Wirtschaftswachstum mit wachsender Verschuldung zusammen?“
Zu ihrem neuen Film sagt die Regisseurin: „Das Problem war, dass ich mit den Akteuren sprechen wollte. Mit den Chefvolkswirten der großen Institute, bei der Europäischen Zentralbank, bei der Deutschen Bank, bei der Allianz.“ Und bei denen sei sie auf Ratlosigkeit gestoßen. Es sei auf dieser Ebene nicht leicht, darüber zu sprechen, dass Profite mit Schulden zusammenhängen. Im Film äußert sich ein, anonym sprechender, Bankangestellter: „Für steigende Gewinne und steigendes Wirtschaftswachstum ist eine ständige Ausweitung der Verschuldung nötig. Das ist der berühmt-berüchtigte ‚elephant in the room‘, über den niemand spricht.“ Der zentrale Akteur im Kapitalismus sei der Schuldner, so das Fazit von Carmen Losmann.
Herbert Becker

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"Kultursplitter", UZ vom 28. Februar 2020



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