Kultursplitter

Repression

Die türkische Band Grup Yorum kommt – Erdogan sei Dank – nicht zur Ruhe. Seit über 200 Tagen sind einige Mitglieder der Musikgruppe Grup Yorum im Hungerstreik. Sie wurden durch das Erdogan-Regime vor über einem Jahr zu langen Haftstrafen verurteilt. Der 28-jährige Mustafa Kocak ist einer von zweien, die sich zum Fasten bis zum Tod entschlossen haben. Er ist mittlerweile seit zwei Jahren im Hochsicherheitsknast Sakran in der Provinz Izmir eingesperrt. Er wurde ohne Beweise und nur auf Grund von Falschaussagen wegen angeblicher Mitgliedschaft in der „Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front“ (DHKP-C) sowie angeblicher Beihilfe zur Geiselnahme eines Staatsanwaltes zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt. In der Türkei bedeutet das Haft bis zum Tod. Die in Westeuropa lebenden Bandmitglieder rufen nicht nur zu Protest und Solidarität auf, sondern nutzen ihre Konzerte, um über die schlimme Situation zu informieren. Wenn nicht, wie kürzlich geschehen, ein angekündigtes Konzert in Köln mit fadenscheinigen Gründen verboten wird. Dagegen gibt es aber vor Ort auch politischen Widerstand.

Wohlfeile Worte

Die Schriftstellervereinigung PEN in Deutschland zeigt sich entsetzt über eine „Sprache der Verrohung“, die seit einigen Jahren vom rechten Rand in die Mitte der Gesellschaft vordringe. PEN-Präsidentin Regula Venske erklärte in Darmstadt, die Grenze des öffentlich Sagbaren werde durch gezielte Tabubrüche verschoben. „Rassismus oder Sexismus sollen wieder klingen wie zu respektierende Meinungen“, kritisierte die Schriftstellerin. Freie Meinungsäußerung bedeute jedoch keinen Freibrief für Hass und Hetze. Das Recht auf Meinungsfreiheit finde seine Grenze im Straftatbestand der Volksverhetzung und dort, wo die Menschenwürde angetastet werde. „Sprache ist wirkmächtig, Sprechakten folgen Taten“, mahnte Venske. „Seit den 1990er Jahren sind in Deutschland fast 200 Menschen Opfer rechtsextremer Mörder geworden. Dies ist unerträglich“, so Venske. Ob diese „Verrohung“ nur vom rechten Rand geleistet wird, ist fraglich, denn bis weit ins bürgerliche Lager geht mittlerweile die mediale Aufwertung. Wenn beim PEN-Kongress deutliche Worte und gemeinsamer Protest angemeldet werden, bleibt man eher handzahm, der Verein will sich nicht unbedingt mit den Herrschenden anlegen.

Geht nicht

Alljährlich feiert „tout Dresden“ seinen Semperopernball, man will so gerne dem entsetzlichen Wiener Opernball nacheifern. Intendanz, Künstler und Beschäftigte der Dresdner Semperoper kritisieren die Entscheidung der Organisatoren des Semperopernballs, den ägyptischen Staatspräsidenten Abd al-Fattah as-Sisi mit einem Orden auszuzeichnen. Man missbillige dies ausdrücklich, teilte der Intendant der Oper Peter Theiler mit. Die Entscheidung führe zu einer massiven Irritation innerhalb der Oper, die als führende Kulturinstitution stets Stellung für Freiheit, Toleranz und Menschenrechte beziehe und nicht in die künstlerischen und programmatischen Planungen einbezogen sei. Der Dresdner Semperopernball steht aber auch nach der Kritik weiter zu seiner Entscheidung. Der Ball sei eine kulturelle und keine politische Veranstaltung und so in einer anderen Rolle, sagte der Vorsitzende des Ballvereins, Hans-Joachim Frey. Man sei sich natürlich bewusst, wie Al-Sisi mit Kritikern und Journalisten umgehe. Aber der Präsident sorge auch für Stabilität in Ägypten, den Aufbau der Gesellschaft, sei Brückenbauer für Kultur und Bildung in Afrika. Man habe sich vorher auch bei der Sächsischen Staatskanzlei abgesichert. Da war man bei den Richtigen, von stabilen Absicherungen versteht man dort viel.

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"Kultursplitter", UZ vom 31. Januar 2020



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