Kultursplitter

Mensch und Natur

An diesem Freitag erscheint das erste Heft des neuen Jahrgangs von „Melodie & Rhythmus“ mit dem Titelthema „Ökologie“. Hervorzuheben sind auf den ersten Blick einige Beiträge: So Dietmar Dath mit einem Streifzug durch die Film- und Literaturwelt mit sozialistischen Spekulationen und ökologischen Sorgen. Mit John Bellamy Foster und Andreas Malm kommen zwei der bedeutendsten Ökosozialisten der Gegenwart zu Wort. Erfreulich zu lesen ist auch das Exklusivinterview mit dem britischen Filmregisseur Ken Loach über sein Arbeiterdrama „Sorry We Missed You“, das im Januar in die deutschen Kinos kommt. (Eine Besprechung erfolgt zum Kinostart.) Und klare Worte findet Rolf Becker anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke: „Nicht trotz, wegen Jugoslawien“. In – leider zu wenigen – Buchhandlungen, Zeitungsläden und natürlich direkt beim Verlag in Berlin zu bekommen.

Angriffe

Die ungarische Regierung treibt ihren Umbau des kulturellen Lebens im Lande weiter voran. Ein geplantes Gesetz sieht vor, dass ein „Nationaler Kulturrat“ installiert werden soll, der „die strategische Lenkung der kulturellen Sektoren durch die Regierung gewährleisten“ soll. Das beste Mittel dafür ist, dass die staatliche Förderung von Theatern, Museen, Bibliotheken und Filmproduktionen abhängig gemacht wird von einem Mitspracherecht der Regierung und/oder des „Kulturrates“ bei der Nominierung von Intendanten, Leitern und Regisseuren. Auch soll generell das Staatsgeld nur gewährt werden, wenn die laufende und geplante Arbeit der Häuser die Zustimmung der Regierung findet. Bisher hatten, dem Verständnis des ungarischen Kulturföderalismus folgend, allein die Kommunen über Subventionen entschieden. Ihnen standen generelle Zuweisungen aus dem Staatshaushalt zu. Am letzten Montag demonstrierten in Budapest Tausende Bürgerinnen und Bürger gegen die neuen Vorhaben. Sie passen zur Orban-Regierung, die seit Jahren die politische und kulturelle Landschaft umpflügt.

Übers Erzählen

Am Dienstag überreichte, nach alter Tradition, der schwedische König die Nobelpreise in Stockholm. Auch nicht neu ist, dass der oder die Nobelpreisträger für Literatur ihre Rede einige Tage vorher halten. So auch am Samstag letzter Woche, diesmal mit dem Novum, dass die polnische Autorin Olga Tokarczuk (nachträglich ausgezeichnet für 2018) erst jetzt ihre Rede halten konnte. Anschließend kam der Österreicher Peter Handke ans Pult, um seine Rede für den Preis 2019 vorzutragen. Bei beiden ist – auch beim Nachlesen – auffällig, wie sehr das Nachdenken über die Funktion von Literatur und über das „Erzählen“ sich durch ihre Vorträge zog. Die Polin verlangte eine neue Erzählhaltung, eine Stimme, die nicht um Ich-Befindlichkeiten kreist. „Die Welt stirbt, und wir versagen, das zu erkennen.“ Gier, mangelnder Respekt vor der Natur, endlose Rivalitäten und Verantwortungslosigkeit hätten die Welt auf den Status eines Objekts reduziert, sie in Stücke geschnitten, verbraucht und zerstört. „Das ist es, weshalb ich glaube, dass ich Geschichten erzählen muss, als wäre die Welt ein Lebewesen.“
Peter Handke hatte sich eine ähnliche Thematik vorgenommen, er zitierte aus eigenen Büchern, besonders aus dem wundersam-wunderlichen „Über die Dörfer“. Dieses Langgedicht von 1981 schien ihm wichtig, darin versucht er, sich selbst über seine Herkunft und seine Kindheit Auskunft zu geben. Für die gierige Feuilleton-Meute eine Enttäuschung, sie ließ in den nächsten Tagen spüren, was sie eigentlich hören wollte und von Handke nicht bekam, (ausführlich in der nächsten Ausgabe).

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"Kultursplitter", UZ vom 13. Dezember 2019



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