Ein halber Prophet
Mit diesen Worten überschrieb der französische Schriftsteller Michel Houellebecq seine Dankesrede bei der Verleihung des „Frank-Schirrmacher-Preises“ der FAZ Ende September.
Neben dem üblichen Gegreine über die Missachtung und Verfolgung seiner Person durch die „Linken“, zu denen er alle zählt, die noch halbwegs vernünftig argumentieren, schafft er nun ein neues Bild von sich, nämlich dem einzigen Propheten im Lande Voltaires und Sartres.
„Es brechen neue Zeiten an, die Rückkehr des Matriarchats in neuer Form, in Staatsform. Die Bürger werden in fortgesetzter Kindheit gehalten, der Staat ist einziger Betreuer und einziger Richter. Das männliche Zeitalter, die Männlichkeit selbst, wird ausgerottet…Die heiligen Kühe sind tot, der erste, der verschwand, war Marx, eine ganze Weile später ist ihm Freud ins Grab gefolgt, noch nicht ganz und gar ist es Nietzsche, aber ich bin guter Dinge, dass auch dies in nicht allzu langer Zeit geschehen wird“.
In diesem Stil und mit solchem „Nachdenken“ geht es über mehr als eine ganze Seite der FAZ, die Frage ist, welche Absichten verfolgt dieses Blatt damit, einem solchen Schwachsinn sperrangelweit Tür und Tor zu öffnen? Die Neuen Rechten nutzen ein anderes Vokabular als frühere Faschisten, sie reden weniger von Volk und Rasse, aber gleich geblieben ist das Schüren von Angst, das Beschwören „heiliger, unveränderlicher Werte“, die Absage an Aufklärung und Vernunft.
Die FAZ hat ihre Journalisten im Bomberjäckchen auf den Politik- und Wirtschaftsseiten. Da hält noch die transatlantische Brücke, aber im Feuilleton werden neue Wege in den Irrwitz probiert.
Geschmack
Eine geradezu „bahnbrechende“ Entdeckung hat der amerikanische Kultursoziologe und Journalist Tom Vanderbilt gemacht: Es sei tatsächlich so, dass unser Geschmack, also warum wir mögen, was wir mögen, wesentlich davon abhängt, in welchen sozialen und kulturellen Verhältnissen wir aufgewachsen und sozialisiert worden sind. Wer hätte das gedacht?
Im Zeitalter von „Big Data“ sind die Möglichkeiten der Anbieter von Waren und Dienstleistungen, immer genauere Profile nicht nur unseres Nutzerverhaltens, sondern auch unserer Erwartungen und Wünsche zu erstellen, enorm gestiegen und erweitert worden. Vanderbilt sieht darin mehr Segen als Fluch, denn nicht nur wenig Nachgefragtes würde weiter den Markt verstopfen, sondern wir selbst könnten unseren Geschmack mit den Angeboten immer besser koordinieren.
Man fragt kopfschüttelnd, warum solche Plattheiten in einem renommierten Verlag wie C. Hanser auf über 360 Seiten ausgewalzt werden.
Schnickschnack
Einige Beachtung und Aufregung fand die Meldung, dass der deutsche Direktor des Londoner „Victoria and Albert“ Museums, Martin Roth, seinen Hut nimmt. „Er wolle nicht länger in einem Land leben, das sich gegen Europa entschieden habe“, „es gäbe eine ausgeprägte Flüchtlingsphobie“, „erstarkender, aggressiver Nationalismus“.
Hört sich erstmal ganz gut an, aber warum will Herr Roth dann zurück nach Deutschland?
Warum beklagt er, „Kunst und Museen seien immer unpolitischer, Gegenwartskunst allzuoft belangloser Schnickschnack“? Furore machte er in London in letzter Zeit mit zwei großen Ausstellungen,eine über David Bowie und eine weitere über Alexander McQueen, einen Mode-Designer. Herr Roth wirft mit Nebelkerzen, denn sein nächster Job ist der des Präsidenten des Stuttgarter „Instituts für Auslandsbeziehungen“, eine NGO, ausgehalten vom Auswärtigen Amt, dem Land BaWü und der Stadt. Hier wird handfeste Kulturpolitik getrieben, so z. B. in der Unterstützung ukrainischer Gruppierungen bei der Annäherung an europäische Werte.