Zufrieden?
Verlogener geht immer: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und die Uni Freiburg haben „Daten“ erhoben und eine tolldreiste Bewertung geliefert. In dem neuen „Glücksatlas“ für 2019 heißt es voller Freude, die Menschen in Deutschland seien wieder „zufriedener mit ihrem Leben“. Im Schnitt geben sich die Befragten selbst die Note 7,1 auf einer Skala von 0 bis 10. Geht der Leser den Fragen nach, fällt als erstes auf, dass die Auswahl der Befragten die oberen Zehntausend und die Abgehängten ohne Arbeit, ohne Wohnung, ohne Perspektiven außen vor lässt. Wer nur die nach ihren diffusen Gefühlen fragt, die keine Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit oder mit einer chronischen Erkrankung haben, wer die fragt, die als junge Menschen aufgehoben sind in stabilen familiären Verhältnissen, der bekommt die gewünschten Antworten, die die Herrschenden für ihr eigenes Loblied brauchen. Das Institut finanziert sich hauptsächlich aus Bundesmitteln und aus dem Haushalt des Landes Berlin. Mit den Begriffen in der Studie wird je nach Belieben umgegangen, ob „Glück“ oder „Lebensglück“, „Zufriedenheit“ ist nahe an „Erfolg“ und das individuelle Gefühl ist wichtiger als sozialer Zusammenhalt.
Vergessen?
Die „Nacht als die Synagogen brannten“ vom 9. zum 10. November 1938 war nicht nur ein Angriff auf die wichtigen Orte jüdischen Lebens in Deutschland. Die Folge waren Hunderte Todesopfer, Zehntausende Verhaftungen und die weitreichende Zerstörung jüdischen Eigentums. Sie markierte nach den 1936 formulierten „Rassegesetzen“ die nun offene Verfolgung deutscher Juden und hinterließ einen dunklen Fleck auf dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen. Erst 40 Jahre nach diesen Taten, am 10. November 1978, gedachte Helmut Schmidt als erster Bundeskanzler öffentlich der Geschehnisse während der „Reichspogromnacht“. Und zehn Jahre danach, zum 50sten Jubiläum, verbrannte sich der damalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger die Finger bei dem Versuch, die Pogrome im Alleingang geschichtlich und gesellschaftlich einzuordnen. Die öffentliche Wahrnehmung durch die bürgerliche Politik und die mediale Aufmerksamkeit geht nun völlig unter durch die grelle Lobpreisung vom „Fall der Mauer“. Christliche und jüdische Gemeinden gemeinsam mit vielen Antifaschisten nutzen in vielen Kommunen den Tag, um nicht nur zu gedenken, sondern auf die aktuellen Gefahren durch Rassisten und Rechtsradikale aufmerksam zu machen.
Würdigung
Der Leipziger Schriftsteller Helmut Richter starb am 3. November, er wurde 85 Jahre alt. Den Zeitgenossen wurde er nach 1975 bekannt durch seinen Liebesroman mit den bekannten Zeilen „Über sieben Brücken musst du gehn’, sieben dunkle Jahre überstehn“. Die Berliner Band „Karat“ griff den Text auf, machte daraus einen Hit, der weit über die Grenzen der DDR berühmt wurde. Helmut Richter selbst schrieb dann auch das Drehbuch für den gleichnamigen Film, der 1978 zum ersten Mal ausgestrahlt wurde. Er studierte am „Johannes R. Becher-Institut“ für Literatur in Leipzig, dieser „kleinsten Hochschule der Welt“ blieb er viele Jahre beruflich verbunden. 1990 wurde er zum Direktor des Literatur-Institutes gewählt, an dem er zuvor als Dozent tätig war. Es gelang ihm mit viel Unterstützung, das Institut vor der ansonsten üblichen Abwicklung zu bewahren. Seinen Vertrag kündigte Richter vorfristig zum 31. Dezember 1992. In seinem Schreiben an den sächsischen Staatsminister begründete Richter diesen Schritt mit „Voreingenommenheiten, Diskriminierungen, Denunziationen und Rufmordkampagnen“ gegen das Institut, die Kollegen Dozenten und seine Person. Ab Januar 1993 arbeitete er wieder freiberuflich als Schriftsteller.