Des Königs Wille
Die Schwedische Akademie, zuständig für die Auslobung des Literaturnobelpreises, hat eine umstrittene Entscheidung bekannt gegeben. Im letzten Jahr hatte die Akademie keinen Preis vergeben, es fehlten Jurymitglieder, die ob der Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Ehemann eines Jurymitglieds nicht mehr mitmachen wollten. Dann hat man sich berappelt, auch der König schaltete sich ein, neue Menschen wurden in die Jury berufen. Nun will die Akademie in diesem Jahr zwei Preise vergeben, einen noch für 2018 und einen für das laufende Jahr. Dagegen regt sich Protest, denn der Preis und die Art und Weise der Jury-Entscheidung seien beschädigt und ob der Intransparenz nicht mehr akzeptabel. Aber die Akademie will so schnell wie möglich wieder in die eingefahrenen Gleise zurück, eine rückwirkende Vergabe für 2018 lässt den Respekt für die Opfer vermissen. Aber das Geld, immerhin rund 750000 Euro, liegt vom letzten Jahr noch rum und könnte, wenn es nach dem Willen des Stifters Alfred Nobel ginge, eigentlich nicht nachträglich ausgekehrt werden, es sei denn, ein Preisträger wäre benannt worden, könnte aber, aus welchen Gründen auch immer, den Preis nicht annehmen.
Sultans Willkür
Drei deutsche Journalisten, denen in der Türkei die Arbeitserlaubnis entzogen wurde, haben das Land nun verlassen. Betroffen sind der „Tagesspiegel“-Korrespondent Thomas Seibert, der ZDF-Korrespondent Jörg Brase und der NDR-Fernsehjournalist Halil Gülbeyaz. Der Grüßaugust der Bundesregierung für auswärtige Angelegenheiten, Minister Heiko Maas von der SPD, plustert sich pflichtgemäß auf und meint, „Journalisten an der Arbeit zu hindern sei mit der Pressefreiheit nicht vereinbar, und dass einige deutsche und andere europäische Korrespondenten ihrer Arbeit in der Türkei nicht frei nachgehen könnten, sei nicht akzeptabel.“ Während andere europäische Regierungen Druck machen, auch indem sie über den jeweiligen türkischen Botschafter signalisieren, man denke über „angemessene“ Reaktionen nach, bleibt die Bundesregierung bei ihrer ängstlichen Haltung. Dass dem Sultan in Ankara die Berichterstattung ausländischer Journalisten nicht passt, ist nichts Neues, schließlich saßen schon einige im Knast und kamen erst nach langer Zeit wieder raus. In der Türkei ist Wahlkampfzeit, am 31. März wird ein neues Parlament gewählt, Erdogan will Stärke zeigen und Heiko Maas gibt in Wirklichkeit den Sekundanten.
Kein Bruch
Am Freitag letzter Woche ist Michael Gielen im Alter von 91 Jahren gestorben. Gielen leitete die Museumskonzerte in Frankfurt, dirigierte das BBC Symphony Orchestra in London und leitete sechs Jahre das Cincinnati Symphony Orchestra. Seine bemerkenswerte Arbeitsleistung bestand darin, zwischen der klassischen Musik, die in den Schubladen bis zu Strawinsky und Schostakowitsch abgelegt wird, und der heutigen Musik von Henze, Stockhausen, Cage und anderen keinen Bruch zu sehen. Er machte das Südwestfunk-Sinfonieorchester Baden-Baden zu einem Klangkörper, mit dem er nicht nur bei den Donaueschinger Tagen für Neue Musik unzählige Werke aus der Taufe hob. Dabei „montierte“ er in seinen Konzerten zum Beispiel die Musik von Beethoven mit der von Penderecki, die Zuhörer konnten verstehen, dass es keine Gräben gibt. Er selbst meinte in einem der letzten Interviews: „50 Jahre in dem Beruf, wo immer wieder Neues kam und vieles gar nicht so neu war. Im Gegenteil, es ist ja eine regressive Bewegung seit längerer Zeit, also eine Antimoderne triumphiert, und damit will ich nichts zu tun haben.“
Herbert Becker