Flaneur
Der Schriftsteller Wilhelm Genazino ist tot. Wie heute bekannt wurde, starb er am Mittwoch vergangener Woche nach kurzer Krankheit im Alter von 75 Jahren. Genazino wurde in Mannheim geboren und lebte als freier Autor in Frankfurt. Zunächst arbeitete er als Journalist unter anderem bei der Satire-Zeitschrift „Pardon“. Er schrieb Hörspiele, bevor er mit seiner Angestellten-Romantrilogie „Abschaffel“ (1977), „Die Vernichtung der Sorgen“ (1978) und „Falsche Jahre“ (1979) bekannt wurde. Auch in seinen späteren Romanen beschrieb er durchschnittliche Männer mit durchschnittlichen Tätigkeiten als Angestellte und einem Leben mit kleinen Absurditäten in gewöhnlichen Städten. Genazino war ein Flaneur mit einer präzisen Beobachtung des Allgemeinen im Besonderen. Lesenswert ist auch der Roman „Liebesblödigkeit“, der die unbeholfene Suche von Männern nach der vollkommenen Frau ironisch und melancholisch zum Thema hat. Genazino selbst nannte seine Anti-Helden „Individualisten wider Willen“, denn das wollten sie unter keinen Umständen sein. Für seine Werke erhielt der Schriftsteller viele Auszeichnungen, darunter den Georg-Büchner-Preis und den Kleist-Preis.
Feste Preise
Alle paar Jahre steht die deutsche Buchpreisbindung zur Diskussion. Früher in der EU-Kommission, jetzt durch die „Monopolkommission“, die ein Gutachten vorlegte. Sie argumentiert, diese Regelung sei schwer mit den EU-Wettbewerbsregelungen in Einklang bringen, auch sei beweisbar, dass sie zum Schutz des „Kulturgutes Buch“ beitrage. Einhellig haben sich alle Fraktionen im Kulturausschuss des Bundestags für die Beibehaltung der Buchpreisbindung ausgesprochen. Das ist auch alle Jahre wieder so, schließlich macht man sich damit Freunde in der deutschen Medien- und Kulturlandschaft, kostet ja auch nichts. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Lobbyverein der Branche, ist natürlich angetan und begrüßt die Bestätigung. Der Verein gibt auch sein Bestes und hat zwei Forschungsgutachten an die Justus-Liebig-Universität Gießen und das Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Osnabrück vergeben. Diese sollen die Notwendigkeit der Buchpreisbindung unabhängig und umfassend sowie aus Sicht des Kartellrechts untersuchen. Bei der Vorgabe ist das Ergebnis vorhersehbar, im April sollen die Gutachten vorliegen.
Eine Posse
Die Provinzposse am Tanztheater Wuppertal ist noch nicht zu Ende. Lange hat sich der Streit zwischen dem Theater und seiner ehemaligen Intendantin Adolphe Binder, Nachfolgerin von Pina Bausch, hingezogen. Nun hat das Arbeitsgericht in Wuppertal entschieden, dass ihre Kündigung nicht rechtskräftig ist. Neun Jahre nach Pina Bauschs Tod wurde Adolphe Binder 2016 berufen, um als Intendantin ein neues Profil für die Company zu erarbeiten. Unter ihrer Leitung hatten die Tänzer in diesem Jahr erstmalig zwei abendfüllende Uraufführungen anderer Choreographen herausgebracht. Im Juli 2018 beschloss der Beirat des Theaters unter Vorsitz einer Bürgermeisterin der Stadt, Adolphe Binder fristlos zu kündigen. Die Gründe: ein „zerrüttetes Verhältnis zwischen Frau Binder und der Geschäftsführung und das Fehlen eines umsetzbaren Spielplans für die nächste Spielzeit.“ Adolphe Binder hatte dagegen geklagt. Die Verantwortlichen des Tanztheaters Wuppertals haben angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Die bereits im November eingesetzte neue künstlerische Leiterin Bettina Wagner-Bergelt will allerdings in diesen Tagen den Spielplan für die restliche Spielzeit vorstellen – das Tanztheater hat, wie es aussieht, derzeit zwei Intendantinnen. Es erscheint aber angesichts des ganzen dubiosen Vorgangs mitsamt gescheiterten Mediationsversuchen, Durchstechereien von Interna und vor allem einer gewagten Intransparenz mehr als fragwürdig, ob nun „kreative Unruhe“, wie es sich die neue Intendantin wünscht, einkehrt.
Herbert Becker