Die Parteivorstandstagung der DKP am 19. und 20. September hatte bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr Fragen zur kommunistischen Kulturpolitik und konkreten Vorschlägen zur Arbeit der Partei auf ihrer Tagesordnung. Der einstimmig angenommene Beschluss betont die Bedeutung „kultureller Bildung“ als Bestandteil der Partei- und besonders der Parteibildungsarbeit. Die Kulturkommission, die die Vorlage erarbeitet hatte, soll in Zusammenarbeit mit den Bezirken/Landesvorständen Hinweise und Materialien für die kulturellen Bildung in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen entwickeln.
Zur gleichen Zeit erreichte uns die Information, dass am 31. Oktober diesen Jahres die 13. „Peter-Hacks-Tagung“ in Berlin stattfinden wird, die einen Hintergrund bildet zu den Themen und Fragen, die in den Komplex einer kulturellen Bildung gehören. Unser Autor Olaf Brühl, Mitglied der Kulturkommission, stellt die Tagung vor und wirbt für eine Teilnahme.
Auf der PV-Tagung begründete die Kulturkommission ihre Vorlage und trug mündlich vor:
Bevor wir uns über den Entschließungsantrag unterhalten, sollten wir uns noch einmal über die marxistische Sicht auf Kultur austauschen. Sehr hilfreich dabei ist die Leninsche These der „zwei Kulturen in einem System, die herrschende bürgerliche und die proletarische Kultur“. Dabei ist Lenin wichtig, dass man das Gelungene, alles dem Humanismus verpflichtete, in die proletarische Kultur übernehmen müsse, also diese im dialektischem Sinne Aufhebung der bürgerlichen Kunst erreichen muss. Nicht zu vergessen, dass sich diese proletarische Kultur im Kapitalismus entwickeln muss. Es ist wichtig diesen Kulturbegriff aus dem dialektischem Spannungsbogen zu entwickeln. Dieser beinhaltet den Begriff Arbeit – von uns gesehen als bewussten Umgang des Menschen mit der Natur und der Gesellschaft, der die Entwicklung der Produktivkräfte und die herrschenden Produktionsverhältnisse beinhaltet. Auf die andere Seite dieses Spannungsbogens gehören dann die konkreten Fragen „Wie leben wir“ und „Wie wollen wir leben“.
– Kurzer Einschub: In der Ausgabe der UZ vom 18. September 2020 schreibt Thomas Metscher in seinem sehr lesenswerten Aufsatz über unsere Gesellschaft, diese sei „faulend und krank“, einer solchen Gesellschaft „entspricht die Erkrankung der Seele, des Körpers und des Intellekts“. Ein solch pathologischer Befund, der die Lehre von den Leiden umfasst, sollte auch Grundlage unserer Herangehensweise an Fragen der Kulturpolitik sein. Ende des Einschubs. –
Denn diese Frage lässt sich nur befriedigend beantworten, wenn wir den Begriff der „kulturellen Bildung“ der arbeitenden Menschen analytisch und durch praktisches Handeln füllen können. Der Kulturbegriff muss also ausgehen von einer Antwort auf die Frage des Entwicklungsstandes der Produktivkräfte und ihren Widerspruch zu den Verhältnissen und im Speziellen mit der Frage, wie gestalten die Menschen selbst und zumeist abhängig ihr Leben? Wie gehen die Menschen miteinander um und wie eignen sie sich Wissen, Bildung und Erfahrungen an, wie wohnen sie, wie ist das Lebensumfeld und wie gestalten sie es … kurz gesagt, wie bewegen sie sich im öffentlichen und auch im privaten Raum und zuletzt die Frage, wie können sie künstlerische Produktionen wahrnehmen und für sich selbst begreifbar machen? Antworten darauf sind nicht einfach, weil wir alle in jahrhundertealten kapitalistischen, ideologisch bürgerlich beherrschten Verhältnissen leben und andere, bessere Erfahrungen durch die kurze Zeitspanne nicht ausreichend verankert werden konnten.
Der Lockdown hat die institutionelle, die ökonomische und die soziale Krise der Kulturwirtschaft und die besonders prekäre Situation von Kunst- und Kulturschaffenden nicht nur in der BRD deutlicher sichtbar gemacht. Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten waren schon vor der Pandemie für die Künstlerinnen und Künstler und die angegliederten Dienstleister aller Genres katastrophal. Ein Zurück zu diesen Zuständen zu fordern kann nicht unsere Aufgabe sein. Kultur ist systemrelevant? Ein solcher Anspruch bedeutet, dass Kunst und Kultur ein Mittel zur Rückkehr in die „Normalität“, ein Teil dieser „Normalität“ sind. Ein Mittel zur Rückkehr zum angeblich normalen Kapitalismus? Das mag für einen Teil gelten. Dort wird ja auch gelockert und gefördert – Fußball sowieso und staatlich geförderte Theater beginnen langsam wieder vor Publikum zu spielen. Ja dieser Teil der bürgerlichen Kultur ist grundsätzlich eine Sicherung der herrschenden Verhältnisse in ihrer Gesamtheit – inklusive der Klassenschranken und -privilegien. Ein Teil, der für uns wichtige Teil der Kulturwirtschaft und der künstlerisch Tätigen, aber will in seinem Selbstverständnis dieses System in Frage stellen, es verändern, verbessern, ja sogar verhöhnen, besser noch ablehnen, so mancher auch umwerfen, auf Grund welcher auch immer gearteten theoretischen, politischen oder gesellschaftlicher Bildung. Dieser Teil gehört direkt zu uns. „Vor der Pandemie war alles besser, dahin muss es wieder zurück gehen“, heißt letztendlich der herrschenden Ideologie und ihrer Praxis auf den Leim zu gehen. Die Theorie, dass der Neoliberalismus die Kultur abschaffen wolle, ist Unsinn. Es ist ebenso Unsinn, zu behaupten, dass es seit dem bürgerlichen Humanismus keine Kunst und Kultur gegeben habe. Diese Gesellschaftsformation fördert eben die Kultur, die ihr eigen ist und ihr nützt. Was die Pandemie und der Umgang damit zeigen, ist: Der öffentliche Raum wird eingeschränkt, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, gefördert wird, wenn überhaupt, was in den Kram passt – die so genannte „Hochkultur“ in Theatern und Museen. Nur die finanzielle Unterstützung von Staat zu fordern ist also absurd, weil es viel zu kurz greift.
Lernen wir aus der Vergangenheit: Welche Rolle spielte die Kultur vor 1989 in der DKP? Wenn die Wahrnehmung und die Erinnerung stimmen, so gab es an vielen Orten in der alten BRD eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Künstlerinnen und Künstlern, es gab oftmals eine nicht nur punktuelle Zusammenarbeit mit Theatern, mit Museen, mit Stadtbibliotheken. In der DDR wurde der kulturellen Bildung ein hoher Stellenwert eingeräumt. In jedem Kaff gab es zumindest ein Kulturhaus, eine Bibliothek. Theater und Orchester tourten dorthin, um für alle Menschen Zugang zu Kunst und Kultur zu garantieren. Viele Betriebe waren ständig und umfangreich in diesen Prozess der kulturellen Bildung einbezogen. Der musisch-künstlerische Unterricht in der Schule wurde konsequent und umfassend angeboten. Schulklassen besuchten im Rahmen des Unterrichts Theateraufführungen und Ausstellungen. Es wurde ein großer Wert auf kulturelle Bildung gelegt und die persönliche und kollektive kulturelle Betätigung umfassend unterstützt. Nicht zuletzt hatten professionelle Künstler ein sicheres Einkommen. Und heute: Es fehlen die „Kulturhäuser“ von Kommunen und Betrieben, es fehlen die Kinderferienlager, es fehlt die Anerkennung und soziale Absicherung der Künstler, es fehlt an allem, was die DDR in diesem Bereich geschaffen hatte.
Nun können wir als diese Partei, die wir zur Zeit sind, keine Kulturhäuser bauen, einrichten und betreiben – oder besser gesagt, in diesem Maßstab – wir tun es dennoch schon im besten Sinne. Ich denke da an die KLS in Leverkusen und die vielen kleinen positiven kulturellen Bestrebungen, die es gibt. Das ist gut so, es erscheint aber heute notwendig, das nicht vereinzelt, sondern im gesamtparteilichen Maßstab als wichtige, zwingend notwendige Aufgabe und als Arbeitsfeld zu verstehen. Unsere Aufgabe heute muss sein, eine Kultur des Proletariats, eine Kultur, die dieses System bekämpft und um eine neue, bessere Gesellschaft ringt, zu fördern und zu leben. Diese Kultur ist ganz und gar nicht systemrelevant. Sie ist aber für unsere Arbeit, für unsere Politik, für den Kampf der Arbeiterklasse, dafür, dass sie sich formiert, ihre Aufgabe erkennt, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter uns überhaupt wahrnehmen, dafür ist sie sehr wohl relevant. Das braucht Bildung – bei unseren Genossinnen und Genossen genau so wie bei den Künstlern. Und es braucht das Überleben der Protagonisten. Die DKP sollte diese Kultur fördern und nach Möglichkeit anbieten. Gerade weil wir nicht gewinnorientiert arbeiten, können wir die jetzt geltenden Einschränkungen, die kommerziellen Veranstaltern ihre Tätigkeit unmöglich machen, als Möglichkeit nutzen. Kulturveranstaltungen sollten geplant und durchgeführt werden, an möglichst vielen Orten. Nicht nur als Hilfe für die Kulturschaffenden – das auch –, sondern als Orte und Anlässe für kulturelle Bildung, Vielfalt und als Angebot in dieser angespannten trostlosen Zeit. Kultur muss eingeplant werden als wichtiger Teil des politischen Lebens. Sie muss ein Beitrag sein und nicht nur als Rahmen fungieren. Sie ist selbst Politik. Im Moment aber nutzt die Situation vor allem unserem Klassengegner, das zu ändern ist eine unserer Aufgaben als Partei, eine der wichtigen. Deswegen müssen wir als Partei jetzt damit anfangen, entsprechende Strukturen zu entwickeln und uns intensiv um die kulturelle Bildung unserer Genossinnen und Genossen, aber auch unserer Freunde kümmern.