Kritische Betrachtung der kulturpolitischen Ziele des Koalitionsvertrags der Ampel-Koalition

Kultur als Randerscheinung

Kulturkommission beim Parteivorstand der DKP

Die Bundesregierung hat in ihrem „Koalitionsvertrag“ die Phrasendreschmaschine angeworfen und als Ergebnis liest man ein unsägliches Konglomerat von unverbindlichen Ankündigungen und Absichtserklärungen und ein „Weiter-so“ neoliberaler Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Wir, Mitglieder der Kulturkommission beim Parteivorstand der DKP, haben uns mit den Teilen des Koalitionsvertrages beschäftigt, der für „Kunst, Kultur und Medien“ Grundlage des Regierungshandelns sein soll. Wir sind zu vielen kritischen und ablehnenden Beurteilungen gekommen, die wir – für die UZ gekürzt – als Rundmail an rund 800 Adressaten im Kultur- und Medienbereich ausführlich dokumentierten.
Fazit: Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Kulturwirtschaft werden tatsächlich nur am Rande gestreift. Die sozialen und ideologischen Verwüstungen und Verwerfungen in unserem Land werden auch im Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern sowie mit den Betreibern und Beschäftigten in allen Bereichen des kulturellen Lebens deutlich.

Im Kapitel: „VI. Freiheit und Sicherheit, Gleichstellung und Vielfalt in der modernen Demokratie“ heißt es: „Kunst und Kultur und ihre Vielfalt zu fördern und die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern zu verbessern ist in diesen Zeiten ein Beitrag zur Sicherung unserer Demokratie. Wir setzen uns daher ein für eine starke Kulturszene und Kreativwirtschaft, die fortbestehen und wieder erblühen kann.“

Hinter den Abschnitten „Innere Sicherheit, Bürgerrechte, Justiz, Verbraucherschutz, Sport“; „Gleichstellung“; „Vielfalt“ kommt dann endlich die „Kultur- und Medienpolitik“. Der Einstieg ist bereits grandios: „Wir wollen Kultur mit allen ermöglichen, indem wir ihre Vielfalt und Freiheit sichern …“ und dann reduziert man Kultur auf Organisations- und Ausdrucksformen und redet nur noch von „künstlerischen Impulsen“, und zwar „von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen“. Diese platte Einhegung von Kultur auf die bürokratischen, administrativen Schubladen des Regierungshandelns trennt Kultur und Künstler vom Rest der Gesellschaft. Es wird nicht gesehen, dass das ganze Leben des Menschen, die Totalität aller seiner wirklichen und möglichen Zusammenhänge, in den Mittelpunkt einer demokratischen und fortschrittlichen Kulturpolitik zu stellen ist. Wir Kommunisten sind dagegen der Meinung, dass der Kampf der Arbeiterklasse und der mit ihr verbündeten Schichten der Gesellschaft für eine sozialistische Gestaltung der Lebens- und Arbeitsbedingungen immer auch ein Kampf für eine Kultur und Kunst ist, die den emanzipatorischen und selbstbestimmten Interessen der arbeitenden Menschen entspricht.

Im Koalitionsvertrag heißt es ohne Konsequenzen: „Wir wollen Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel verankern und treten für Barrierefreiheit, Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit ein.“ Das soll wohl meinen, dass irgendwas ins Grundgesetz reingeschrieben wird – aber dann kommt nichts mehr. Man meint, mit paritätisch und divers besetzten Jurys und Gremien käme man dem Ziel näher. Die statistische Erfassung der sozialen Lage von Künstlerinnen und Künstlern leistet noch keine Änderung der schlimmen Verhältnisse. Nicht fehlen darf eine „zentrale Anlaufstelle ‚Green Culture‘“, die eine ökologische Transformation befördern mag. Dazu soll auch ein „Kompetenzzentrum für digitale Kultur“ beitragen, ohne das irgendeiner weiß, was das dann leisten soll.

Anschließend werden flugs alle Bereiche der „Kultur- und Kreativwirtschaft“ hintereinander abgearbeitet: Vom Games-Standort, dem gemeinnützigen Journalismus, dem E-Sport, sogenannten unabhängigen Verlagen, einer Filmförderungsnovellierung, einem „fairen Interessenausgleich“ beim Urheberrecht bis zu analogen Spielen soll alles in den Sammelkatalog der Deutschen Nationalbibliothek aufgenommen werden und vieles Unverbindliche mehr. Das zieht sich fort bei etwas, was das „bauliche Kulturerbe“ genannt wird, einem „Denkmalschutzsonderprogramm unter ökologischen Aspekten“, einer neuen „Bundesstiftung industrielles Welterbe“, bei alldem nur unklare Absichten. Deutlich wird man jedoch bei einem Lieblingsprojekt aller Berliner Regierungen: Die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ soll reformiert werden (gemeint ist: verschlanken und zentralisieren), das unsägliche „Humboldt-Forum“ wird nicht in Frage gestellt, sondern mit neuen Finanzierungsmitteln flott gemacht.

An wenigen Stellen im Phrasenverhau lohnt der Versuch, zwischen oder hinter den Zeilen zu lesen. Bei dem „erfolgreichen Ausbau der ;Deutschen Welle‘ und ihrer Akademie“, der fortgesetzt werden soll, ist wohl gemeint: die Förderung sogenannter „Regime-Kritiker“ und ihre Destabilisierungskampagnen wollen wir verstärken. Dazu gehört auch die Behauptung des Papiers, „dass die internationale Kulturpolitik die Dritte Säule unserer Außenpolitik“ sei, die Grüne-Außenministerin bekommt hier ihren Blankoscheck für die von ihr so geliebte „Werte- und Verantwortungsgemeinschaft in Europa und weltweit“, also die ideologisch unterfütterte Aufrüstung und Drohkulisse besonders gegen Russland und China.

Schlimm ist auch der Passus „Erinnerungskultur“: Nach dem Selbstverständnis der Koalitionäre gehört der „SED-Opferbeauftragte“ in die Reihe der Institutionen, die sich um Gedenkstätten, die weitere Aufarbeitung des Holocaust und die Digitalisierung von Berichten von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen kümmern. Auch die bereits festgelegten „Standorte der Außenstellen des Stasi-Unterlagen-Archivs“ sollen „qualitativ entwickelt“ werden, dazu gehört dann auch ein Archivzentrum SED-Diktatur und, jetzt wird es eklig, „die Weiterentwicklung der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin zum Campus für Demokratie“. Nicht nur der Geist, sondern auch die praktische Politik der Ära Kohl wie auch der Ära Merkel werden unverändert und unverdrossen weiter gepflegt und vorangetrieben.

Wir Kommunisten dagegen gehen von der Feststellung aus, dass die kulturelle Bedeutung der Erinnerung, von Erbe und Aneignung auch durch Möglichkeiten der künstlerischen Arbeit darin liegt, geschichtliches Bewusstsein zu stiften, und nicht darin, die ideologische Siegermentalität der Herrschenden zu befördern.

Neue „Staatsministerin für Kultur und Medien“ ist Claudia Roth von den Grünen. Im Gerangel um Posten und Pöstchen musste sie halt auch was abbekommen. Nach Monika Grütters (CDU) kann es aber kaum schlimmer werden, vielleicht sogar etwas besser, zumindest für Rock und Pop. Gespannt darf man – aber nur ein bisschen – auf die Besetzung eines „Ansprechpartners für die Kultur- und Kreativwirtschaft“ sein, ob diese Frau oder dieser Mann als Aufpasser für Frau Roth benannt wird oder nur als Referatsleiter, der am besten beim Finanzminister Lindner sein Büro haben wird.

Fazit: Künstlerinnen und Künstler aller Sparten werden gut daran tun, ihre eigenen Interessen laut und bunt und gemeinsam selbst zu vertreten, denn von dieser Regierung haben sie wenig zu erwarten. Probe aufs Exempel ist die drohende Rückzahlung der Ausgleichszahlungen für die Corona-Maßnahmen, die die Kultur besonders getroffen haben. Wenn die neue Regierung ihre eigenen Worte ernst nimmt, sollte sie ihre Behörden anweisen, die Künstler nicht zu drangsalieren mit Rückforderungen, die diese nicht bezahlen können, weil sie keine anderen Einnahmen mehr hatten.

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"Kultur als Randerscheinung", UZ vom 4. Februar 2022



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