Gedenkstätte hindert Internationalisten und Palästinenser daran, den Opfern des deutschen Faschismus zu gedenken

Kufiya-Verbot in Buchenwald – Hetze im Netz

Leon Wystrychowski

Das KZ Buchenwald galt als das politische Konzentrationslager, weil dort besonders viele Kommunisten sowie andere Antifaschisten und Widerstandskämpfer interniert waren. Auch Ernst Thälmann verbrachte dort seine letzten Stunden: Am 17. August 1944 wurde der seit 1933 inhaftierte KPD-Führer aus dem Zuchthaus nach Buchenwald verbracht, wo er am nächsten Tag auf direkten Befehl Hitlers ermordet wurde. Anlässlich des 80. Jahrestags von Thälmanns Ermordung fanden in verschiedenen Städten Deutschlands Gedenkveranstaltungen statt, darunter in Berlin, Hamburg und in der Gedenkstätte Buchenwald.

„Kein politischer Ort“

Bei letzterer allerdings kam es zu unschönen Szenen, als einer größeren Gruppe vor allem junger Leute der Zugang zur Gedenkstätte verwehrt wurde. Der Grund: Viele in der Gruppe trugen Kufiya, manche auch T-Shirts mit arabischer Schrift darauf. Darüber berichtete zuerst die „Kommunistische Organisation“ (KO) auf ihren Social-Media-Kanälen.
In einem Video, das außerhalb der Gedenkstätte aufgenommen wurde, berichteten zwei Mitglieder der Organisation, unter ihnen der palästinensische Antifaschist Mahmud Abu-Odeh, dass man in einer „größeren Gruppe“ unterwegs gewesen sei. Auch mit Migranten, die zum ersten Mal Buchenwald besuchten. Am Eingang sei man aufgehalten worden: „Uns wurde gesagt, man dürfe nicht mit Kufiyas oder mit T-Shirts, die irgendeinen Palästina-Bezug haben, die Gedenkstätte betreten.“ Den „Tatbestand“ des „Palästina-Bezugs“ erfüllten dabei schon die Aufschriften „Freedom“ und „Hurriya“ – also das Wort Freiheit auf Englisch und Arabisch – in weißen Buchstaben auf schwarzem Untergrund.
Auf die Behauptung, die Hausordnung verbiete derartige Kleidung, habe man reagiert, indem man eine schriftliche Begründung verlangt und mit rechtlichen Schritten gedroht habe. Daraufhin hätten die Verantwortlichen nach fast einer Stunde erklärt, man werde die Kleidung dieses Mal „tolerieren“. Allerdings stellten sie klar, dass Buchenwald angeblich „kein politischer Ort“ sei.

Online-Hetzjagd und Paragrafenreiterei

Das Video erntete im Internet viel Empörung über das Vorgehen der Gedenkstätte – aber auch zahlreiche Hass-Kommentare gegen die Betroffenen. Sie werden in Postings und Kommentarspalten unter anderem als „Kranke“, „Israelhasser“, „Hamas-Unterstützer“ und „Tankies“ bezeichnet, die „in die Psychiatrie“ gehörten beziehungsweise sich „in den Iran verpissen“ sollten. Die bekannte Antideutsche Jutta Ditfurth postete einen Screenshot des Videos mit dem Kommentar: „Können wir herausfinden, wer die beiden Antisemiten sind?“ Die „Jagd“ der selbsternannten „Antisemitenjäger“ war damit offiziell eröffnet. Kurz darauf postete Ditfurth selber den Namen und die mutmaßliche Arbeitsstelle von Mahmud Abu-Odeh. Andere prominente proisraelische Hardliner wie Volker Beck, Mitglied der Grünen und der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft, schlossen sich der Outing-Kampagne an. Abu-Odeh wurde aufgrund seines Palästina-Engagements in den letzten Monaten bereits wiederholt Ziel von Angriffen und öffentlichen Outings u. a. der Springer-Presse.

Indes reagierte die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald offiziell mit einem Tweet auf das Video. Darin wird erklärt, dass man „umsichtig darauf geachtet“ habe, „dass die Hausordnung eingehalten wurde.“ Außerdem werde man gegen „den NS-verharmlosenden Inhalt (Gleichsetzung Gaza und Holocaust)“ rechtlich vorgehen. Dabei vermied man allerdings nicht nur jegliche Bezeichnung für das, was in Gaza seit über zehn Monaten vor sich geht, sondern ließ auch völlig offen, wer den Gaza-Genozid denn überhaupt mit dem Holocaust gleichgesetzt haben soll. In dem Video der KO jedenfalls wurde nichts „gleichgesetzt“.

Was allerdings offenbar der Wahrheit entspricht, sind die ebenfalls in dem Tweet angekündigten rechtlichen Schritte gegen das Video. Wie die KO auf Anfrage bestätigte, wurde sie offiziell aufgefordert, das Video zu löschen, was sie mittlerweile getan hat. Die Begründung ist formalistisch: Fotos und Videos, die auf dem Gelände der Gedenkstätte aufgenommen wurden, dürfen nur mit Erlaubnis selbiger veröffentlicht werden. Zum Gelände gehört auch der Parkplatz, auf dem das Video gedreht wurde. Daher werde man das Video aus dem Netz nehmen und ein neues mit identischem Text hochladen.

Normalerweise bestehen die Verantwortlichen nicht auf dieses Gebot, wie zahlreiche Fotos und Videos im Internet nahelegen, die sicherlich nicht alle von der Gedenkstätte abgesegnet wurden. Wenn es allerdings darum geht, Kritik an der antipalästinensischen Politik der Gedenkstätte zum Schweigen zu bringen, scheint man lieber dieses Werkzeug zu nutzen, als sich mit der Kritik inhaltlich auseinanderzusetzen.

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