Sie habe Kröten schlucken müssen, berichtete die ver.di-Tarifkommission bei der internen Vorstellung des zweiten Angebots der Deutschen Post AG. In den Medien wurde das Ergebnis dieser vierten Verhandlungsrunde von allen Seiten bejubelt – Streik verhindert. Natürlich mit der üblichen Rhetorik: „Extrem schwierige Verhandlungen“, ließ der Post-Konzern mitteilen. Man sei über die „finanzielle Schmerzgrenze hinaus gegangen“. ver.di-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis meinte, ein „gutes Ergebnis“ erzielt zu haben. Über das, was als „Einigung“ verbreitet wird, beschließen die ver.di-Mitglieder allerdings noch in einer Urabstimmung. Ja, die liebe Demokratie ist wichtig, aber Streikverhinderung ist wichtiger.
Ein Großteil der Beschäftigten der Post arbeitet in den unteren Lohngruppen. Sie müssen von ihrem Einkommen einen größeren Anteil für Miete, Energie und Lebensmittel ausgeben – und gerade deren Preise wurden in den letzten beiden Jahren enorm erhöht. Im Februar lag die Inflationsrate für Energie bei 19,1 Prozent, für Lebensmittel sogar bei 21,8 Prozent. Wer vor einem Jahr 400 Euro monatlich im Supermarkt zahlte, um seine Familie zu ernähren, legt jetzt fast 90 Euro mehr hin. Dazu kommen deutlich erhöhte Abschlagszahlungen für Energie – viele befürchten Nachzahlungen.
Die letzte tabellenwirksame Erhöhung haben die Post-Beschäftigten Anfang letzten Jahres erhalten. Es gab zwei magere Prozent. Die Preise stiegen im Durchschnitt im letzten Jahr um knapp 7 Prozent – offiziell. Wenn man den realen Anteil von lebenswichtigen Waren und ihre besonders hohe Teuerung berücksichtigt, haben die Beschäftigen der Post im letzten Jahr mindestens ein Zehntel ihres Einkommens verloren.
Die von der Post angebotene „Inflationsausgleichsprämie“ wird vielen helfen, die entstandenen Löcher in der Haushaltskasse notdürftig zu stopfen. Sollte die Preisentwicklung sich weiter fortsetzen, haben die Postler zum Jahresende trotz Prämie ein noch größeres Loch im Geldbeutel.
Sie müssen sich jetzt entscheiden, ob sie für die kurzfristige Entlastung die Kröten Nullrunde und lange Laufzeit schlucken. Vor der gleichen Frage stehen die Kollegen in den Tarifkämpfen des öffentlichen Dienstes und der Bahnen. Ein klares „Nein“ der Postler wäre ein deutliches Zeichen auch an sie.