Kongress diskutiert über Antisemitismus

Kritik muss sein

Von B. K.

Am vergangenen Wochenende fand in Berlin der Kongress „Zur Zeit der Verleumder“ statt. Die Initiative „Projekt kritische Aufklärung“ hatte sich zum Ziel gesetzt, der Instrumentalisierung von Juden, Judentum und der jüdischen Katastrophe entgegenzutreten und den Verleumdungen und Schmähungen derer, die Kritik an der Politik Israels äußern und für die Rechte von Palästinenserinnen und Palästinensern eintreten, zu begegnen. Das Interesse an der Konferenz war groß. Im Kreuzberger Theater fanden 200 Teilnehmer Platz, ebenso vielen musste im Vorfeld abgesagt werden.

„Analysieren, aufarbeiten und Gegenstrategien diskutieren“ wollten die Organisatoren mit der Konferenz. Wie berechtigt die Kritik an der Politik Israels ist, legte der jüdische Sozialist Moshé Machover dar. Israel sei der ‚Juniorpartner‘ des westlichen Imperialismus in der Region. Er bezeichnete die Politik Israels als zionistische Kolonisation, die es anzuprangern gelte. So habe Jeremy Corbyn bei seiner Rede auf dem Labour-Parteitag für die Passage zur Solidarität mit Palästina den meisten Applaus erhalten.

Der israelische Soziologe Avishai Ehrlich referierte über die Kooperation von nationalreligiösen Zionisten, Evangelikalen und anderen Rechtsradikalen in Israel, USA und Europa. Dutzende von ‚NGOs‘ in Israel werden vor allem von den Evangelikalen finanziert und wurden gegründet, um die Kritiker der israelischen Politik zu delegitimieren. Es reiche aus, von Besatzung zu sprechen, um in die Kritik zu geraten. Moshe Zuckermann forderte ein, immer wieder klarzustellen, wer in Israel/Palästina Opfer sei und wer Täter. Die Siedlungspolitik habe in die jetzige Sackgasse geführt.Der palästinensische Journalist Ali Abunimah sprach über die neue Antisemitismus-Definition, die in sich selbst antisemitisch sei. Die israelische Regierung brauche sie, da sie diese weder mit logischen noch mit moralischen Begründungen rechtfertigen könne. Die internationale Boykott-Divestment-Sanctions-Bewegung sei nicht rassistisch, sondern unbedingt von der Linken zu unterstützen.

Eine Vertreterin von Free Palestine aus Frankfurt a. M., Jackie Walker aus England und Judith Bernstein aus München schilderten in ihren Beiträgen mit welchen administrativen Mitteln ihre Solidaritätsarbeit behindert und sie persönlich diffamiert werden. Veranstaltungsräume werden verweigert oder gekündigt, Informationsstände demoliert, die Presse mit angeblichen Belegen für ‚Antisemitismus‘ versorgt. Entmutigt zeigte sich jedoch keine der drei. Jackie Walker, deren Mitgliedschaft in der Labour Party bereits zweimal ausgesetzt wurde, wehrt sich mit ihrem autobiographischen Ein-Frau-Theaterstück „The Lynching“, aus dem sie einige Szenen vortrug.

Der Schauspieler Rolf Becker legte dar, dass es in der Palästina-Israel-Frage für ihn nur eine Haltung gebe. In den Gewerkschaften sei der Konflikt leider kein Thema.

Hans Christoph Stoodt sprach über die Auswirkungen der „antideutsch“ und „antinational“ begründeten reaktionären Wende von Teilen der Linken. Die Linke sei marginalisiert und habe sich von der historisch-materialistischen Faschismus­analyse verabschiedet. Sie mache den Antisemitismus zum Hauptmerkmal des deutschen Faschismus und beraube ihn so seines Klassencharakters. Das habe zu einer tiefen Krise der Antifa in Deutschland geführt.

In Grußworten unterstützten Esther Bejarano, der Regisseur Ken Loach, Rolf Verleger und Fouad El Hay (Palästinensische Stimme) das Anliegen der Konferenz.

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"Kritik muss sein", UZ vom 16. Februar 2018



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