Kritik des Leitantrages

Von DKP Minden

Es ist zu begrüßen, dass nun die „Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt“ als zentrales Element unserer Strategie wiederentdeckt worden ist. Sie war nach dem 20. Parteitag schlicht verschwunden, was u. a. von uns kritisiert worden ist. Immerhin ist das als Absage an besonders linksradikale Positionen zu begrüßen, die ohne Übergänge zum Sozialismus kommen wollen.

Es gibt allerdings keinerlei Begründungen für diesen Zickzackkurs. Oder soll die Formulierung von Phasen des Imperialismus die Begründung sein? Doch diese Phaseneinteilung ist unzureichend. Die kapitalistische Internationalisierung wird ausgeblendet. Das geltende Parteiprogramm widmet dieser Entwicklung wichtige Passagen. Mit dem vorliegenden Leitantrag werden diese Teile des Programms entsorgt.

Kubanische Marxisten haben in ihrem Werk „Imperialismus heute“ die Entwicklung von einem nationalen staatsmonopolistischen Kapitalismus zu Zeiten Lenins zu dem heutigen transnationalen Monopolkapitalismus beschrieben. Eine korrekte Analyse des heutigen Imperialismus ist in der Tat für uns ein wichtiger Kompass. Sie ist wichtig für das richtige Verständnis des Verhältnisses vom nationalen zum internationalen Aspekt unseres Kampfes – ein seit Beginn der Programmdebatte der DKP umstrittenes Thema. Die kapitalistische Internationalisierung, die Herausbildung transnationaler Monopole, die qualitative Zunahme der Rolle des spekulativen Kapitals verändert die Rolle des Staates. Anders als noch im Leitantrag formuliert ist der heutige staatsmonopolistische Kapitalismus im Zuge der Durchsetzung des Neoliberalismus eben nicht mehr durch zunehmende direkte Wirtschaftstätigkeit des Staates gekennzeichnet. Heute werden mit anderen Formen seines Eingreifens die Profite primär des transnational tätigen Kapitals und der Finanzoligarchie gesichert.

Die kapitalistische Internationalisierung engt die Spielräume für progressive Veränderungen im Interesse von Mensch und Natur im nationalen Rahmen ein. Das voranzutreiben ist auch das Ziel des Systems der sogenannten Freihandelsabkommen, die in ihrem Kern Investitionsschutzabkommen sind. Sie begründen einen neuen Konstitutionalismus, in dem Konzerne und Banken völkerrechtlich abgesichert über Staaten gestellt werden und mit den neuen Institutionen der Regulatorischen Kooperation maßgeblichen Einfluss auf alle Gesetze und Regulierungen der Staaten erhalten. Diese Konstruktionen des heutigen staatsmonopolistischen Kapitalismus werden begleitet von einem Arsenal finanzieller Erpressungsmöglichkeiten. Demokratische, soziale und ökologische Veränderungen von unten sollen verhindert werden. Konflikte zwischen den imperialistischen Staaten bei diesen Verhandlungen gehen nur um die Frage, wer die maximalen Vorteile für die eigene staatliche Machtposition und die besten Bedingungen für das im eigenen nationalen Rahmen niedergelassene Kapital erreicht, wobei beides miteinander verknüpft ist.

Die Positionierung zu diesen Verträgen im Leitantrag (Zeilen 919 f.) ist daher völlig unzureichend. Es fehlt jede Einschätzung der Bewegung gegen diese Verträge, die Massen mobilisierte, äußerst breite Kräfte umfasst, sich gegen Konzernmacht (zumindest gegen den Machtzuwachs für Konzerne und Banken) richtet, also antimonopolistisch ausgerichtet ist, Teilerfolge erreichte und Spuren im gesellschaftlichen Bewusstsein hinterlassen hat. Eine Bewegung mit dem Potential, die Standortlogik in Ansätzen in Frage zu stellen. Die internationale Kooperation, mit Schwerpunkt auf der Ebene der Länder der EU, erwies sich als ein Moment ihrer Stärke.

Im Leitantrag fehlen die vorhandenen Bewegungen, ihre Potenzen und Grenzen werden nicht benannt, unsere Anknüpfungspunkte im widersprüchlichen gesellschaftlichen Bewusstsein, insbesondere in der differenzierten Arbeiterklasse und in den Gewerkschaften bleiben ausgespart. Das ist ein Zeichen dafür, dass unsere Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeit unseres Landes mehr als nur lückenhaft ist. Daran und nicht in Proklamationen von einer ML-Partei und langen Zitaten erweist sich aber, ob eine Partei die Lehren von Marx, Engels und Lenin auch anwendet und nicht nur als Postulat vor sich her trägt.

Hier drängt sich die Frage auf: Fehlt der Aspekt der Internationalisierung des Kapitals, weil das der gewollten Beschränkung auf den nationalen Rahmen widerspricht? Hinsichtlich der EU bleibt es bei der Forderung, dass Deutschland, die vorherrschende Macht in der EU, aus dieser EU und der Eurozone austreten müsse, ohne dass eine gesellschaftliche Perspektive jenseits des Austritts benannt wird. Mit diesem Beschluss hat der letzte Parteitag die Orientierung des Parteiprogramms revidiert, dass auch die EU eine Ebene des Klassenkampfes ist. In der Zwischenzeit gab es immerhin etwas Einsicht in die Realität, als auf der 7. Tagung des PV der Hinweis von Lucas Zeise ernst genommen wurde, die „Abwicklung des Euro und der EU nicht in den Vordergrund unserer Politik zu stellen“. Denn mit dieser Abwicklung wären erhebliche ökonomische Probleme verbunden. Die vom letzten Parteitag beschlossene Position wird damit den vorhandenen Realitäten in der EU nicht gerecht. Diese Realitäten aber zwingen zu Schlussfolgerungen im Sinne einer Rückkehr zum Parteiprogramm.

Mehr Informationen zum 23. Parteitag der DKP

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"Kritik des Leitantrages", UZ vom 1. Dezember 2017



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