Ripplingers „Kommunistische Kunst“ liefert ein Schaubild der sozialen Praxis vom Schönen

Kritik der Waffen

Von Ken Merten

Stefan Ripplinger

Kommunistische Kunst und andere Beiträge zur Ästhetik

KVV konkret 2019, 126 Seiten, 17,50 Euro

Stefan Ripplinger wollte sich wohl auf „Vergebliche Kunst“ selber antworten, immerhin ist „kommunistisch“ ja auch ein Gegenteil von „vergeblich“. Der „konkret“- und „Neues Deutschland“-Rezensent analysiert im titelgebenden Essay seines neuen Buches „Kommunistische Kunst“ nach eigener methodischer Maxime Kunst als gesellschaftliche Praxis. Sie sei aktuell im Spannungsfeld zwischen „Ästheten“ und „Realisten“ zu verorten, wobei die beiden Gruppen sehr eigen bezeichnet sind. Die „Ästheten“ sind hier einfach die, die sich radikal auf eine Kunstautonomie versteifen und nach unbrauchbarer Kunst, die keinen gesellschaftlichen Wert schafft, verlangen, während die „Realisten“ letztlich nur ihren marktschreierischen Widerpart in Form kapitalistischer Konsumkunst darstellen.

Ripplinger baut auf die marxistische Ästhetik auf, indem Kulturproduktion stets als „Vorschein“, als Darüberhinaus auf eine höhere Gesellschaftsform hindeutet, und verweist konkret auf Ernst Bloch. Dass dabei auch „Spurenelemente kommunen Denkens“ seit jeher mitschwimmen, leitet Ripplinger historisch her. Schließlich sind die ersten Funde vom Menschen geschaffener Gegenstände, die bezeugen, dass sie zu mehr dienten als zu bloßen Werkzeugen, Artefakte, die schmuckvoll verarbeitet wurden, zu aufwendig, als dass sie ein einzelner Mensch zu jener Zeit hätte produzieren können. „Die kommune oder urkommunistische Kunst ist also kein Stil, sondern eine soziale Praxis.“ Sie ist es nicht nur in ihrer Erzeugung, denn schließlich dient der Rhythmus Homerischer Dichtung auch der Weiter- und Wiederverarbeitung im kollektiven Rahmen. Außerdem ist Kunst offen für etwas, das Ripplinger das „pluralisierende Missverständnis“ nennt – sie legt es darauf an, „von vielen gebraucht zu werden“.

Kunst ist als „Motor von Gesellschaftlichkeit“ demnach nie autonom und nur um ihrer selbst willen dagewesen, schließlich wird sie von Gesellschaftswesen produziert (auch ein Stefan George musste essen, trinken und profitierte von der Arbeitsteiligkeit der Klassengesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts). Und Kunst wird konsumiert (keine Kunst ist die, die niemand wie auch immer betrachtet, also schlicht der Baum, der kein Geräusch macht, wenn er ohne Publikum umfällt).

Kunst ist aber auch keine reine Ware, zumindest war sie das nicht bis zur Eta­blierung der bürgerlichen Herrschaft, die die Kunst in eine „Krämerwelt“ katapultiert hat.

Den letztlichen Sprung von kommunen „Spurenelementen“ in der Kunst an sich hin zu einer konkreten, kommunistischen sieht Ripplinger behindert durch den (notgedrungen dem Klassengefüge entsprungenen) kleinbürgerlichen Charakter der KunstproduzentInnen, „durch ihre kleinlichen Abgrenzungsbedürfnisse“.

Da, in der Perspektive auf eine kommunistische Kunst, wird Ripplinger dann doch dünn, obwohl die Herleitung eine wunderbare Argumentationsstütze gegen Puristen beider eingangs erwähnten Lager bildet. Aber eingestanden: Die Waffen der Kritik im Essay „Kommunistische Kunst“ können nicht die Kritik der Waffen der kommunistischen Kunst ersetzen, die es noch zu finden und zu schmieden gilt. Was sich aus Ripplinger auch schließen lässt, ist die Tatsache, dass Kunst allein nicht möglich ist, weder wenn es darum geht, sie zu schaffen, noch ihr einen gesellschaftlichen Raum zu bieten.

Das Hauptessay wird ergänzt durch ein Essay zu Kunst und Ideologie sowie „a. a. O.“, einer Sammlung von Anekdoten, Bonmots und Reflexionen in Tagebuchform aus den Jahren 2009 und 2010, manche recht amüsant und entfernt an Ronald M. Schernikaus „tage in l.“ erinnernd.

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"Kritik der Waffen", UZ vom 17. Mai 2019



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