Daniel Zimmermann arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Mieterbund Nordrhein-Westfalen (DMB) und ist für den DMB-Bundesverband mit dem Schwerpunkt „Große Wohnungsunternehmen“ befasst. UZ sprach mit ihm über das Geschäftsmodell von Vonovia, LEG und Co.
UZ: Die Wohnungskonzerne Vonovia, Deutsche Wohnen und LEG haben im vergangenen Jahr hohe Gewinne eingefahren und ihren Umsatz gesteigert. Deutschlands größter unter ihnen, Vonovia, konnte laut Geschäftsbericht für 2020 den Gewinn sogar noch einmal um über zehn Prozent steigern. Was für ein Geschäftsmodell steht dahinter, wenn in einer Zeit von Pandemie und Krise solche Zahlen vorgelegt werden können?
Daniel Zimmermann: Natürlich haben Wohnungskonzerne mit Menschen zu tun, die von der Krise betroffen sind, aber das tangiert ihr eigentliches Geschäft oder Geschäftsmodell ja nur sehr bedingt. Menschen müssen wohnen, auch in der Pandemie, und sie tun das mit einer, ich sage mal, hohen Zahlungsmoral. Nur ein sehr kleiner Teil der Mieterinnen und Mieter konnte die Miete coronabedingt nicht zahlen.
Insofern sind die Einnahmen der Wohnungskonzerne erst einmal relativ gesichert. Zudem haben sie sich deutlich verbessert, weil die Mieten stark gestiegen sind. Dem hat auch die Pandemie bisher keinen großen Abbruch getan. Die für die Wohnungskonzerne wesentliche Rolle spielt die Frage: „Kommt das Geld rein?“ Und das ist weiterhin gegeben.
Wenn wir uns speziell Vonovia anschauen, dann sehen wir, dass Vonovia sich in den letzten Jahren ziemlich ausgebreitet hat – man könnte auch sagen „breit aufgestellt“. Vonovia hat Wohnungsbestände in Österreich, Schweden und sehr verteilt über alle Großstädte in Deutschland. Damit ist das Unternehmen krisenfest und fährt weiterhin eine Strategie, die die Einnahmen weiter steigert. Das ist vor allen Dingen durch die Modernisierung des Wohnungsbestands der Fall.
UZ: Bleiben wir beim Beispiel Vonovia. Mieterinitiativen und -vereine kritisieren den Konzern für die Modernisierungsmaßnahmen, sprechen von intransparenten Abrechnungen und unrechtmäßigen Mieterhöhungen. Gehört das auch zum Geschäftsmodell?
Daniel Zimmermann: Diese Strategie wird schon seit Jahren kritisiert, auch vom Deutschen Mieterbund. Sie beinhaltet, dass durch die Modernisierungen die Mieten in den jeweils betroffenen Häusern sehr stark steigen. Dabei wird zum Beispiel Styropor an die Außenwand gepackt oder die Fenster werden ausgetauscht und die Kosten tragen die Mieterinnen und Mieter durch höhere Mieten. Auf der anderen Seite stehen dem Kosteneinsparungen beim Energieverbrauch gegenüber, die aber nur einen Bruchteil der Mieterhöhung ausmachen.
Das hat schon vor zwei Jahren zu so erheblichen Protesten geführt, dass die Vonovia in Vorwegnahme der gesetzlichen Neuregelung gesagt hat: Wir führen keine Modernisierung mehr durch, die eine Mietsteigerung von über zwei Euro pro Quadratmeter nach sich zieht – was natürlich immer noch sehr viel ist.
Das Bündnis „VoNO!via“ kritisiert die Mieterhöhungen und dass Vonovia für einzelne Modernisierungsmaßnahmen keine hinreichenden Kostenbelege vorlegt. Diese Kritik teilen wir als DMB. Das bekommt einen ganz besonderen Geschmack, wenn man bedenkt, dass ein großer Teil der Modernisierungsmaßnahmen, die Vonovia durchführen lässt, durch Konzerntöchter, also eigene Tochterunternehmen, ausgeführt wird. Und wenn man sich sozusagen selbst dafür bezahlt, die Kosten dann aber auf die Mieterinnen und Mieter umlegt, dann kann man sich ja ungefähr vorstellen, dass ein Potential für Missbrauch angelegt ist.
UZ: Ist das eine Folge der massiven Proteste, die wir unter anderem in Berlin gesehen haben, wenn Vonovia verkündet, die Mieterhöhungen zu begrenzen?
Daniel Zimmermann: Ja, ich würde sagen, das ist in erster Linie eine Folge der Proteste. In der Außendarstellung der Konzerne stellen wir seit mittlerweile zwei Jahren fest – und dieses Jahr war das bei den Pressekonferenzen zu hören und in den Geschäftsberichten zu lesen –, dass das Thema Sozialverträglichkeit Einzug gehalten hat. Da fallen dann Sprüche wie: „Hier muss kein Mieter ausziehen“ oder Ähnliches. Diese Rhetorik ist davon geprägt, dass der Protest stark geworden ist.
Die Proteste in Berlin, wo so eifrig über das Thema Enteignung diskutiert wird, haben das auch noch einmal beflügelt. Die Enteignung eines Wohnungsunternehmens wäre ein Präzedenzfall, den man absolut vermeiden will.
Real ist es aber so, dass börsennotierte Wohnungskonzerne im Vergleich zum Bundesdurchschnitt weiterhin überdurchschnittlich die Mieten steigern. Sie versuchen das zu kaschieren. Dann sagen sie: „Wir haben marktbedingt die Mieten nur um 1,2 Prozent angehoben“, und rechnen alle Modernisierungsmieterhöhungen raus. Aber wenn man sich jetzt bundesweite Durchschnittszahlen zu der Mieterhöhung, der Mietsteigerung anguckt, dann beinhalten die auch Modernisierung. Also insofern ist das Augenwischerei.
Aber börsennotierte Konzerne haben natürlich eine andere mediale Aufmerksamkeit als kleinere Investoren, die nicht so bekannt sind. Und deshalb sind sie da sensibler und versuchen, sich zumindest so darzustellen, als sei ihnen sehr dran gelegen, dass es den Mieterinnen und Mietern gut geht.
UZ: Du hast das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ angesprochen. Die DKP Berlin kritisiert, dass bei einem Erfolg im Endeffekt ein teurer Rückkauf von Wohnungen dabei herauskäme, an dem die Wohnungskonzerne ordentlich verdienen würden. Kannst du zu Vonovia oder auch am Beispiel der Deutsche Wohnen sagen, wo die großen Wohnungsbestände der privaten Wohnungskonzerne herkommen?
Daniel Zimmermann: Das ist sehr unterschiedlich. Wenn wir das mal an der Vonovia durchexerzieren, dann ist diese, so wie sie heute als Konzern existiert, ein mittlerweile riesiges Konglomerat verschiedenster Wohnungsbestände, die in den letzten zwei Jahrzehnten zusammengekauft worden sind.
Das startete unter anderem mit einem großen Teil von circa 114.000 Eisenbahnerwohnungen, von denen 64.000 an die Vonovia – damals noch unter dem Namen Deutsche Annington – verkauft wurden. Und die Gagfah, die ehemalige Wohnungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte verwaltete, ist mit der Annington zur Vonovia fusioniert.
Dazu kommen jede Menge andere Bestände, insbesondere ehemalige Werkswohnungen, die zum großen Teil einmal der Wohnungsgemeinnützigkeit unterlegen haben und die auch mit Fördermitteln errichtet worden sind. Sie waren also explizit dafür gedacht, zum Beispiel den eigenen Beschäftigten – wie bei der Bahn – eine Wohnung zu garantieren. Häufig waren das relativ günstige Wohnungen, die darauf ausgelegt waren, gemeinnützig bewirtschaftet zu werden – also dauerhaft bezahlbar zu bleiben. Solche Wohnungen mit sehr niedrigen Mieten haben ein hohes Potential für die Wohnungsunternehmen, da sie die Miete kontinuierlich steigern können. Nehmen wir als Beispiel die LEG. Das war eine landeseigene Entwicklungsgesellschaft – heute ist sie ein Unternehmen, das an der Börse Profite erzielen soll.
UZ: Der DMB bietet ja auch Rechtsberatung an. Wie sind die Erfahrungen angesichts der aktuellen Wohnungsnot? Haben die Menschen nicht Angst, ihre Wohnung zu verlieren, wenn sie sich mit einem privaten Wohnungskonzern anlegen? Man findet ja in der aktuellen Situation nichts Neues.
Daniel Zimmermann: Ja, diese Angst gibt es, da bin ich mir ziemlich sicher. Zumal es viele Hürden gibt – zum Beispiel, ob jemand überhaupt Zugang hat zu Informationen oder ob sie verständlich sind, Sprachbarrieren bestehen und so weiter.
Die Angst, dass man vielleicht gekündigt wird, wenn man Widerspruch äußert, gab es schon immer. Und das wird durch Corona garantiert verstärkt. Wer jetzt seinen Job verloren hat, wer vielleicht auf Kurzarbeit ist oder war, der will sich nicht noch mehr Probleme einhandeln. Der ist froh, dass er seine Wohnung hat und will das nicht aufs Spiel setzen.
Das ist teilweise eine irrationale Angst, weil große Wohnungskonzerne nicht einfach so kündigen können. Die Kündigungsmöglichkeiten sind schon sehr reglementiert. Auch die klassische Kündigungsmöglichkeit, Eigenbedarf anzumelden, besteht hier nicht. Denn Vonovia kann schließlich nicht sagen: „Der Rolf Buch, der Vorstandschef, möchte jetzt gerne in Ihrer Wohnung wohnen, also ziehen Sie bitte aus.“
Wenn man sich juristisch beraten lässt, etwa bei den Mietervereinen des DMB, sodass man nicht in Gefahr gerät, Dinge zu tun, die einem hinterher doch zum Nachteil ausgelegt werden können – zum Beispiel eigenmächtig die Miete kürzen über das vertretbare Maß hinaus –, dann ist die Angst vor einer Kündigung meist unbegründet.
Da kann ich ein bisschen Mut machen. Es lohnt, sich gegen die Wohnungskonzerne zur Wehr zu setzen.