Nicht nur marxistisch gebildeten Menschen, sondern auch den einigermaßen klarsichtigen Apologeten des Kapitals war seit dem Herbst 2019 klar, dass die entwickelten kapitalistischen Nationen zur Jahreswende hin auf einen massiven Krisenschub hinsteuerten, der in seinen Auswirkungen tiefer sein würde als der letzte Krisenschub von 2007/2008. Es kam aber noch schlimmer als von links bis rechts erwartet. Durch den Brandbeschleuniger namens Covid-19 entwickelte sich das, was anfangs – darauf deuteten die zurückgehenden Profitraten und Auftragseingänge seit Ende vergangenen Jahres hin – wie ein zunehmend bedrohlicher Schwelbrand aussah, zum flammenden ökonomischen Inferno eines Buschfeuers. Angeführt – wie es sich gehört – von den USA sind in allen Hochburgen des Kapitals die ökonomischen Vergleichswerte seit April zum Vorjahr in zweistelliger Größenordnung eingebrochen.
Brandbeschleuniger war Covid-19 auch insofern, als die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen weite Teile des Massenkonsums lahmlegten. Da half es auch wenig, dass die Bundesregierung in anfangs stolzer Abgrenzung zu China nirgends die industrielle Warenproduktion selbst gestoppt hatte. Das Coronavirus war sogar insofern von politischem Vorteil, als der ökonomische Zusammenbruch, der sich nun vor unseren Augen entfaltet, als scheinbar externe Macht und nicht vor allem als Resultat der Mechanismen kapitalistischer Mehrwertproduktion erschien. Diese ideologische Nebelwand hält bis jetzt – obwohl sich die ganz anderen Möglichkeiten einer zentral gesteuerten Wirtschaft, in der die wesentlichen Produktionsmittel nicht im privaten, sondern im staatlichen Eigentum sind, im Falle Chinas nicht nur bei der Bekämpfung des Virus, sondern auch bei der Begrenzung der von ihm angerichteten ökonomischen Schäden zeigen.
Die Anarchie der auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden Wirtschaftsweise und die Lüge von dem Virus als Ursache – und nicht nur Beschleuniger – der ökonomischen Krise führen in der weiteren Krisenentwicklung nun zu einem immer schmerzhafteren Spagat der herrschenden Klasse. Einerseits, meldeten die herrschenden Medien Mitte August, sei die Bundesregierung „besorgt über die steigenden Infektionszahlen“. Andererseits häuften sich die Warnungen vor einem „zweiten Lockdown“ – das würden die seit März gebeutelten Unternehmen nicht mehr verkraften. Folgerichtig ist von der vielbeschworenen ruhigen Hand weder gesundheits- noch wirtschaftspolitisch noch viel zu spüren. Vielmehr zittert der Kurs der Herrschenden hin und her zwischen Alarmismus und Beruhigung, zwischen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und Maßnahmen zur Abwendung des sich für den Winter ankündigenden ökonomischen Offenbarungseides.
Große Krisen haben es an sich, dass Maßnahmen zum Stopfen des einen Lochs andere Löcher aufreißen und sich so die Panik auf den Brücken der Staatsschiffe Welle für Welle ausbreitet. Die Alternativen von Merkel, Scholz und Co. ähneln immer mehr der Wahl, die Odysseus hatte, als er sein Schiff zwischen Skylla und Charybdis hindurchzusteuern versuchte. Die in griechischer Mythologie Kundigen wissen, wie das endete: Er kam zwar lebend, aber nur noch auf den Trümmern seines einst stolzen Schiffes ans rettende Ufer.